Soziophobie / Sozialangst / Social Anxiety Disorder (© M-SUR - stock.adobe.com)

Soziophobie und ihre Folgen: Sozialangst erkennen und besiegen

Menschen, die unter einer Soziophobie leiden, verspüren in sozialen Situationen starke Angst – entweder in (fast) allen Zusammenhängen oder unter bestimmten Gegebenheiten. Oft kommt es vor, dass die Betroffenen solche Situationen meiden. Sozialangst im Sinne einer sozialen Phobie geht über eine normale Schüchternheit hinaus, obwohl der Übergang fließend ist. Bei der Soziophobie handelt es sich um eine anerkannte Krankheit, die mithilfe von unterschiedlichen therapeutischen Verfahren behandelt werden kann.

Wie macht sich die Sozialangst bemerkbar?

Bei der sozialen Phobie handelt es sich um eine Angststörung. Die Betroffenen verspüren typische Angstsymptome, wenn sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, zum Beispiel während eines Vortrags oder beim Telefonieren. Möglich ist auch, dass die Betroffenen eine große Furcht vor derartigen Situationen verspüren (siehe auch Furchtkonditionierung) und diese deshalb von vornherein vermeiden.

Zu den Angstsymptomen, die häufig auftreten, gehören Herzklopfen, ein beschleunigter Puls und ein trockener Mund. Auch Erröten, Atemprobleme und eine erhöhte Muskelspannung sind charakteristische Anzeichen für einen Angstzustand. Manche Betroffene verspüren einen starken Harndrang. Die Soziophobiker können schwitzen oder Kribbelgefühle wahrnehmen. Darüber hinaus kommt es vor, dass Betroffenen in einer sozialen Situation schwindlig wird oder sie das Gefühl haben, sie könnten jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.

Soziophobie / Sozialangst? (© koldunova_anna / stock.adobe.com)
Soziophobie / Sozialangst? (© koldunova_anna / stock.adobe.com)

Die Symptome der Soziophobie können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Dabei sind Panikattacken möglich, kommen jedoch nicht bei jedem Betroffenen vor. Darüber hinaus treten nicht bei jedem Soziophobiker alle Symptome gleichzeitig auf, sodass die Sozialangst mehr oder weniger offensichtlich erscheinen kann.

Ein mangelndes Selbstbewusstsein ist für Menschen, die unter Sozialangst leiden, sehr typisch. Manche Soziophobiker entwickeln zudem eine Angst vor Verantwortung, wenn diese ebenfalls damit verbunden ist, mehr Aufmerksamkeit von anderen Personen zu erhalten.

Bei der Soziophobie unterscheiden Psychologen zwischen einer generalisierten und einer diskreten Form. Letzte bezieht sich auf konkretere Anlässe, wohingegen eine generalisierte Sozialangst viele unterschiedliche Situationen einschließt.

Welche Folgen hat eine soziale Phobie?

Viele Menschen machen sich Gedanken darüber, wie andere Personen sie wahrnehmen. Auch vor einem Auftritt vor großem Publikum fühlen sich viele nervös. Bei Menschen mit einer Soziophobie ist dies nicht grundsätzlich anders, doch die Angst ist deutlich stärker ausgeprägt als im Normalfall. Sie kann darüber hinaus auch soziale Situationen betreffen, in denen die meisten Personen keine Angst verspüren würden.

Eine soziale Phobie kann einen hohen persönlichen Leidensdruck mit sich bringen. Vielen Betroffenen fällt es schwer, neue Kontakte zu knüpfen und soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten. Die Sozialangst erschwert in vielen Fällen Freundschaften und Partnerschaften. Zahlreiche Betroffene leiden unter Beziehungsängsten und leben in der ständigen Furcht, etwas falsch zu machen und dadurch die Missgunst ihres Partners oder anderer wichtiger Menschen in ihrem Leben auf sich zu ziehen. Dadurch erzeugen sie oft erst die Situationen, vor denen sie sich fürchten. Eine pathologische Angst vor Frauen kann ebenfalls der Ausdruck einer sozialen Phobie sein.

Darüber hinaus entstehen durch die Soziophobie oft Missverständnisse. Ein Partner oder ein Arbeitgeber kann es beispielsweise als Faulheit oder Desinteresse auslegen, wenn eine Person bei einer ungeplanten Verspätung nicht zum Telefon greift, um den Wartenden über die Verzögerung zu informieren. Dass es dem Betroffenen womöglich wegen einer Telefonphobie schwerfällt, sich telefonisch zu melden, und keine antisoziale Einstellung dahintersteckt, ist für Außenstehende nicht offensichtlich.

Da Führungskräfte eher als einfache Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen, sabotieren sich manche Betroffene in ihrer beruflichen Laufbahn selbst. Erwartungsängste und Perfektionismus führen mitunter dazu, dass sich Soziophobiker mental verausgaben und unter enormem Stress stehen. Kinder und Jugendliche, die unter einer krankhaften Sozialangst leiden, entwickeln möglicherweise eine Angst vor der Schule.

Soziophobie: Was machen Psychologen, um Verwechslungen mit anderen Krankheiten zu vermeiden?

Die Diagnosestellung erscheint auf den ersten Blick recht einfach, birgt jedoch einige Tücken. Damit eine Soziophobie von einem Psychologen, Arzt oder Therapeuten diagnostiziert werden kann, müssen die typischen Symptome des Krankheitsbildes vorliegen. Darüber hinaus muss vor der Behandlung sichergestellt werden, dass die Symptome nicht auf eine andere Krankheit zurückgehen.

Die Sozialangst zeichnet sich nicht nur durch ein subjektives Angstgefühl aus, sondern zeigt sich auch anhand von verschiedenen körperlichen Symptomen. Deshalb muss eine organische Ursache für die Krankheitszeichen ausgeschlossen werden.

Neben der Soziophobie existieren verschiedene andere Angststörungen, darunter die spezifischen (isolierten) Phobien. Wenn ein Betroffener ausschließlich Angst davor hat, eine öffentliche Toilette zu benutzen, handelt es sich wahrscheinlich um eine situationsspezifische Phobie und nicht um eine soziale Phobie. Eine Soziophobie kann sich allerdings ebenfalls beim Besuch einer öffentlichen Toilette zeigen. Entscheidend ist, dass ein Soziophobiker dabei weniger Angst vor der Situation an sich hat, sondern davor, sich lächerlich zu machen oder von anderen angestarrt zu werden.

Im Unterschied zu psychotischen Menschen sind sich Soziophobiker bewusst, dass ihre Angst übertrieben oder sogar gänzlich unbegründet ist. Eine soziale Phobie kann in einigen Fällen in eine Zwangsstörung münden oder Substanzmissbrauch (siehe Sucht und Abhängigkeit) begünstigen.

Der Übergang zwischen einer Soziophobie und einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung ist fließend. Die Selbstunsicherheit äußert sich bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung jedoch tendenziell auf andere Weise. Zum Beispiel erleben Soziophobiker ihre Sozialangst oft als Fremdkörper, was auf jemanden mit einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung eher nicht zutrifft.

Wie kann man soziale Ängste überwinden?

Zahlreiche verschiedene Therapeuten bieten Hilfe bei sozialen Ängsten an. Ihre Herangehensweise unterscheidet sich teilweise deutlich.

► Psychotherapeutische Ansätze

Die analytische Psychotherapie geht davon aus, dass eine soziale Phobie durch unbewusste Konflikte entsteht. Ein Psychoanalytiker versucht deshalb gemeinsam mit dem Patienten, diese Konflikte ins Bewusstsein zu holen, um sie bearbeiten zu können. Einige Psychoanalytiker legen ihrer Arbeit ein bestimmtes Modell zugrunde, zum Beispiel die Grundformen der Angst nach Riemann. Der Psychoanalytiker Fritz Riemann beschreibt in seinem gleichnamigen Buch vier Persönlichkeitstypen, die sich laut diesem Modell durch unterschiedliche Ängste auszeichnen sollen.

Hypnotherapeuten befassen sich ebenfalls mit den unbewussten Anteilen der Psyche. Sie versetzen ihren Patienten in eine Trance, um mithilfe von positiven Suggestionen die grundlegenden Einstellungen und das Verhalten dieser Person zu beeinflussen. Ein guter Hypnotherapeut bespricht den Inhalt der Suggestionen zuvor mit seinem Patienten. Manche Therapeuten nutzen die Hypnose als zusätzliches Mittel, zum Beispiel im Rahmen einer Gesprächstherapie oder als Ergänzung zur Psychoanalyse oder tiefenpsychologischen Therapie.

Viele Verhaltenstherapeuten greifen bei der Behandlung von Angststörungen auf eine Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz zurück. Dieses Ziel verfolgen beispielsweise die systematische Desensibilisierung und das Flooding. Bei einer Konfrontationstherapie sollen die Erfahrungen mit der Angst dem Gehirn dabei helfen, zu verinnerlichen, dass die Situation eigentlich harmlos ist (siehe auch den Artikel Angst vor sozialer Interaktion). Durch diesen Lernprozess entstehen neue Nervenverbindungen, die bei zunehmender Benutzung stabiler werden und eine Abnahme der Angstreaktion zur Folge haben.

Die Gestalttherapie betrachtet den Menschen als eine zusammenhängende Einheit, die sowohl den Körper als auch die Psyche und die Seele einschließt. Auch das soziale Umfeld wird von Gestalttherapeuten als bedeutsam wahrgenommen. Bei seiner Arbeit macht sich ein Gestalttherapeut oft viele unterschiedliche Methoden zunutze, die teilweise an das Psychodrama erinnern.

Die meisten der hier genannten Verfahren werden als Einzeltherapie, manchmal aber auch als Gruppenpsychotherapie angeboten. Regelmäßige Entspannungsübungen, Achtsamkeit und Sport können Betroffenen helfen, die Angst zu lindern und mehr Gelassenheit zu lernen.

Nicht immer haben soziale Ängste ein solches Ausmaß, dass sie eine Krankheit darstellen. Dennoch können auch Menschen, die „nur“ schüchtern sind oder bei Vorträgen selbstbewusster auftreten möchten, ihre soziale Kompetenz trainieren. Wenn die Person nicht unter einer krankheitswertigen sozialen Phobie leidet, kommt für ein Angstbewältigungstraining auch ein Coach oder psychologischer Berater infrage (in Abgrenzung zur Berufsbezeichnung des psychologischen Psychotherapeuten).

► Medikamentöse Ansätze

Wenn der Betroffene nicht nur unter einer Soziophobie leidet, sondern eine weitere psychische Erkrankung hat (Begriff Komorbidität), wird diese meist mitbehandelt. Je nach Krankheitsbild stehen dazu verschiedene psychotherapeutische und medikamentöse Mittel zur Auswahl.

Eine Depression kann beispielsweise mit einer Therapie, aber auch mit Antidepressiva behandelt werden. Bei leichten depressiven Verstimmungen kommen möglicherweise auch Johanniskraut-Präparate und ähnliche Mittel in Betracht. Die Dosierempfehlungen hängen dabei vom jeweiligen Mittel ab. Ein Beispiel dafür ist ein Präparat namens Neuroplant 300 mg Novo. Bei dieser Variante von Neuroplant sind 900 mg pro Tag die Menge, die vom Hersteller empfohlen wird – aufgeteilt auf drei 300-mg-Tabletten.

Ob die Einnahme eines solchen Mittels bei einer depressiven Verstimmung sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab und kann von einem Arzt beurteilt werden. Dieser kann bei einer Depression, die über eine leichte depressive Verstimmung hinausgeht, bei Bedarf auch entsprechende Medikamente verschreiben.

Obwohl eine Depression eine typische Begleiterkrankung von sozialen Phobien darstellt, leiden nicht alle Soziophobiker unter einer Depression. Sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind jedoch Antidepressiva, die manchmal bei einer Angststörung verschrieben werden. Auch hier gilt, dass ein möglicher Nutzen nur von einem Arzt eingeschätzt werden kann. Bei Angststörungen stellen Medikamente oft nur eine Ergänzung zu psychotherapeutischen Mitteln dar.

Wie aussichtsreich ist eine Therapie bei einer sozialen Phobie?

Vielen Sozialphobikern geht es nach einer Therapie besser. Die Expositionen / Expositionsübungen, wie sie vor allem in der Verhaltenstherapie üblich sind, gelten als ein sehr effektives Mittel, um gegen pathologische Sozialängste vorzugehen und sie mittelfristig besiegen zu können. Da die Mehrheit der Betroffenen unter einer weiteren psychischen Krankheit wie einer Depression, einer Suchterkrankung oder weiteren Angststörungen leiden, deckt die Behandlung oft viele verschiedene Aspekte ab.

Sogar Menschen ohne eine soziale Phobie verspüren oft eine extreme Angst vor Veränderungen in ihrem Leben. Sich den eigenen Schwächen zu stellen, erfordert viel Kraft. Dennoch kann sich die Intervention lohnen und Betroffenen dabei helfen, ihr Leben nicht mehr von der Angst bestimmen zu lassen, sondern selbst die Kontrolle zurückzugewinnen.

Quellen und weiterführende Ressourcen:

Buch: Soziale Phobien - Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual (Amazon*)
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  • Patricia Thivissen (Spektrum.de): „Wie überwindet man Ängste?“. spektrum.de/news/wie-ueberwindet-man-aengste/1582894.
  • Christoph Schmidt-Lellek (Spektrum.de): „Gestalttherapie“. spektrum.de/lexikon/psychologie/gestalttherapie/5891.
  • Wikipedia (Wikipedia.org): „Grundformen der Angst“. https://de.wikipedia.org/wiki/Grundformen_der_Angst.
  • Rote Liste (Patienteninfo-Service.de): „Neuroplant® 300 mg Novo Filmtabletten“. patienteninfo-service.de/a-z-liste/n/neuroplantR-300-mg-novo-filmtabletten/.
  • Jyothi S. Sunandha & Esther Daisy Joel (TNNMC Journal of Mental Health Nursing, 2018): „Jacobson’s progressive muscle relaxation technique on social anxiety among high school students“. indianjournals.com/ijor.aspx?target=ijor:tnnmcjmhn&volume=6&issue=2&article=001.
  • Susanne Kupke, dpa/mbö (Spiegel.de): „Angst vor Anrufen – Hauptsache, nicht telefonieren“. spiegel.de/netzwelt/web/angst-vor-anrufen-was-steckt-hinter-einer-telefonphobie-a-9cb15bac-eb71-4776-9310-e619eb77d3a1.
  • Phobienliste
  • Definition: Sozialer Rückzug / Soziale Isolation
  • Angst verlassen zu werden – Fachbegriff

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen