Prokrastination Definition
Was bedeutet Prokrastinieren?
Eine Definition für Prokrastination aus einem Wörterbuch lautet: Eine bestimmte Handlung oder Gewohnheit ist für den Betroffenen so bedeutend, dass es von ihm bewusst, aktiv verschoben wird. Diese Definition schließt die Fälle aus, durch die jemand durch höhere Gewalt oder äußere Umstände an seinen Tätigkeiten gehindert wird.
Eine andere Definition lautet die Setzung von Prioritäten bei einem gleichzeitigen Aufschieben von Aufgaben. Prokrastination bedeutet hier, dass eine solche Prioritätenliste ständig umorganisiert wird, sodass am Ende nur wenig oder gar nichts von ihr erledigt wird.
Prokastination wird landläufig auch gern mit den Begriffen Aufschieberitis oder Aufschieberei beschrieben. Weitere Redewendungen finden sich in der deutschen Sprache, wie zum Beispiel „auf die lange Bank schieben“ oder „etwas vor sich herschieben“.
Wikipedia definiert Prokrastination als extremes Aufschieben der Arbeit, die sich durch ständiges Verschieben des Beginns der Arbeit aber auch durch Unterbrechungen auszeichnet.
Betroffener Personenkreis
Viele Menschen neigen dazu, schwierige und unangenehme Tätigkeiten vor sich herzuschieben. Häufig planen Betroffene sogar mehr Zeit für ihre Arbeit ein, weil sie alles sorgfältig und genau durchführen wollen. Sie haben dann jedoch, auch aufgrund ihres Perfektionismus, Probleme, Prioritäten zu setzen und wichtige von unwichtigen Tätigkeiten zu unterscheiden. Die Folgen sind Fehleinschätzungen des Zeitmanagements, der Arbeitsanforderungen und ihrer Organisation.
Als „Aufschieber“ sind überwiegend Menschen betroffen, die ihre eigene Arbeitszeit frei einteilen können. Hierzu zählen Selbstständige, Freiberufler oder Studenten. Es handelt sich häufig um Abendmenschen, die zudem empfindsam, selbstkritisch, gewissenhaft und kommunikativ sind. Solche Menschen reagieren häufig stark auf Angst oder Stress.
Normalität von Aufschieberei oder Aufschiebeverhalten
Der Begriff „Faulheit“ stammt aus dem gotischen und bedeutete ursprünglich so viel wie „modrig“ oder „stinkend“. Damit wurde früher der Zustand faulenden Obstes oder Gemüses bezeichnet. Später folgte dann die Entwicklung dieses Begriffes zur Trägheit oder dem Beharren im Nichtstun. Das Christentum bezeichnet Faulheit als eine Eigenschaft, die selbst zwar keine Sünde ist, aber zur Sünde führen kann. Gemeint ist damit auch die Trägheit des Geistes oder des Herzens. Die Physik definiert als „Trägheit“, wenn eine Masse einen bestimmten Bewegungszustand beibehält und sich erst ändert, wenn eine äußere Kraft auf sie einwirkt. Die Medizin verwendet den Begriff „Störung“ anstelle von Krankheit. Krankheit definiert sich als körperliche oder psychische Störung, die sich in bestimmten Symptomen zeigt, welche wiederum Wohlbefinden oder Leistung eines Lebewesens beeinträchtigt.
Was heißt prokrastinieren in diesem Fall? Ist es nur der Drang zum Aufschieben? In vielen Fällen wird Prokrastination mit Faulheit gleichgesetzt. Prokrastinieren bedeutet hier, dass der Zustand selbst verschuldet wurde, aber dennoch jederzeit auch von selbst und aus eigener Kraft beendet werden kann. Die Schlussfolgerung wäre, dass Prokrastination in bestimmten Fällen eine Krankheit oder Störung darstellt, die die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden beeinträchtigt.
Biologische und psychologische Ursachen für Prokrastination
Ein Aufschiebeverhalten kann durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren verursacht werden. Hierzu zählen zum Beispiel:
- eine fehlende Bereitschaft zur Erledigung von Aufgaben,
- nicht vorhandene Prioritäten,
- Planung unrealistischer Vorhaben und ein
- schlechtes Zeitmanagement.
Weitere Faktoren für das Aufschiebeverhalten sind
- eine mangelnde Leistungs- oder Konzentrationsfähigkeit, welche zum Beispiel durch Krankheiten oder Störungen verursacht wurden.
Eine weitere Rolle spielt bei Aufschieberitis
- die Abneigung gegenüber den zu erledigenden Aufgaben,
- die Angst zu versagen oder kritisiert zu werden, sowie
- zu hohe Selbstansprüche, die in Perfektionismus, Langeweile oder Impulsivität münden.
In vielen Fällen kommen einzelne Faktoren zusammen und verursachen dadurch einen Teufelskreis, der zu Schamgefühlen oder der Empfindung von Minderwertigkeit beim Aufschieber führen kann. Ebenso können schwere psychische Störungen, Aufmerksamkeitsdefizite oder Angstzustände Prokrastination hervorrufen.
Diagnosekriterien krankhafter Aufschieberitis
Eine allgemeingültige Regel oder Festlegung, ab welchem Zeitpunkt ein Aufschiebeverhalten ein derart großes Problem ist, dass es behandelt werden sollte oder muss, gibt es nicht. In der Regel neigt jeder Mensch dazu, unliebsame Aktivitäten aufzuschieben. Er versucht zunächst, durch Aufschieben unangenehme Dinge von sich zu halten. Eine Behandlung wird jedoch dann notwendig, wenn das Aufschieben den Betroffenen massiv beeinträchtigt. Es müssen jedoch immer individuelle Ursachen für die Prokrastination betrachtet werden.
Warum wird etwas aufgeschoben oder etwas aufrechterhalten?
Von Bedeutung sind nicht nur die Ursachen, sondern auch andere psychische Störungen. Hinzu kommen das Arbeitsverhalten des Betroffenen sowie die daraus resultierenden Auswirkungen.
Zu den Auslösern einer Aufschieberitis kann u.a. zählen:
- eine geringe Motivation verbunden mit
- einer hohen Bereitschaft sich ablenken zu lassen.
Die Folge ist die Nicht-Akzeptanz fremder Anforderungen, die zunächst innerlich abgelehnt und anschließend aufgeschoben werden. In manchen Fällen fehlt auch das notwendige Know-how oder die Fertigkeit, eine Aufgabe adäquat zu erledigen. Auch wenn Menschen über die Fähigkeiten verfügen, ihre Aufgabe zu erledigen, kann eine große Angst zu einem eigenen Unverständnis führen. Weitere Folge ist die Angst, Entscheidungen zu treffen oder zu versagen.
Eine Hilfestellung für chronische Aufschieber ist zunächst die kritische Selbstbeobachtung und das Ausfüllen standardisierter Fragebögen. Diese beschäftigen sich damit, wie oft wichtige Tätigkeiten auf den letzten Moment hinausgeschoben werden und das Prokrastinieren zur Folge haben.
Behandlungsbedürftigkeit
Eine Aufschieberitis kann verschiedene Ursachen, etwa auch eine Depression oder eine Angststörung haben. Auch andere Faktoren können die Ursache sein. Eine Aufschieberei wird jedoch dann behandlungsbedürftig, wenn die Herausforderungen des Lebens nicht mehr durchgeführt werden und dadurch die persönliche Entwicklung oder das Wohlbefinden dauerhaft eingeschränkt sind (siehe den Artikel zum Thema krankhafte Angst).
Der Betroffene ist davon überzeugt, dass ein Vorhaben dringend ist und ausschließlich von ihm persönlich erledigt werden muss. Er schiebt das, was er vorhat, permanent auf. Hinzu kommt das Gefühl, selbst die Kontrolle zu verlieren, was wiederum in einem schlechten Gewissen mündet. Der Betroffene verliert sein Selbstwertgefühl und fühlt sich als Versager oder „fauler Hund“.
Chronische Aufschieberei tritt relativ oft als Teil einer psychischen Störung – wie eben Depression, Angststörung oder einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – in Erscheinung. In diesen Fällen ist die Therapie der ursächlichen psychische Störung eine Voraussetzung für die Behebung der Aufschieberitis. Die chronische Aufschieberei beeinträchtigt auch das psychische Wohlbefinden und wird dadurch wiederum selbst zur Ursache für andere psychische Belastungen.
Nach Wikipedia wurde Prokrastination bislang noch nicht in die Klassifikation psychischer Störungen (DSM-5, ICD 10) aufgenommen. Demnach gibt es noch keine systematischen Behandlungsmöglichkeiten, die eine kontinuierliche Behandlung eines Aufschiebeverhaltens ermöglichen (Wiki).
Konsequenzen von krankhaftem Aufschiebeverhalten / Prokrastinieren
- Am Beginn einer Aufschieberitis steht in vielen Fällen Unzufriedenheit, welche sich allmählich steigert und im schlimmsten Fall zu einer Depression führen kann.
- Prokrastinieren kann zu Realitätsverlusten führen, bei denen der Betroffene keine Zusammenhänge zwischen Verhalten und Reaktionen seiner Umwelt nicht mehr erkennt.
- Die Konsequenzen aus dem permanenten Aufschiebeverhalten werden in allen Lebenslagen sichtbar. Verpasste Chancen und „verschwitzte“ Gelegenheiten wirken sich auf das ganze Leben aus. Durch verpasste Termine und nicht gehaltene Versprechen erleidet der krankhafte Aufschieber einen möglicherweise irreparablen Vertrauensverlust bei seinen Mitmenschen. Hinzu kommen finanzielle Nachteile durch versäumte Zahlungstermine oder bei Selbstständigen sogar durch fehlende Lieferungen an Kunden. Die Folge sind Auftragsrückgänge und Einnahmeverluste.
- Im gesundheitlichen Bereich werden dringend notwendige Arztbesuche ständig verschleppt. Symptome schwerer Erkrankungen werden einfach ignoriert und ein dringend notwendiger Arztbesuch wird aufgeschoben. Der Betroffene begibt sich nicht in eine Therapie, sondern erleidet durch das permanente Aufschieben wichtiger Dinge eine immer stärker werdende persönliche Isolation.
Ein Video bei YouTube zeigt die Ursachen für das Prokrastinieren auf:
https://www.youtube.com/watch?v=kMWyduLWhqA
Durch Therapie Prokrastination überwinden
Es gibt Anbieter, die Selbsttests zum Überwinden von Prokrastination / Aufschiebeverhalten durchführen. Durch einen solchen Test erhalten Betroffene die Möglichkeit, sich im Bereich der Prokrastination, der Depressivität oder Aufmerksamkeitsdefiziten wie ADS oder ADHS zu testen. Dafür gibt es spezielle (standardisierte) Fragebögen, die in der Forschung der klinischen Psychologie ausgearbeitet wurden. Nach Auswertung der Fragebögen über das Aufschieben kann eingeschätzt werden, ob die Notwendigkeit einer Behandlung besteht, indem die Betroffenen eine Rückmeldung zu den von ihnen gemachten Angaben erhalten. Die Teilnahme an dem Test ist freiwillig und kann jederzeit von dem Betroffenen abgebrochen werden. Anschließend erfolgt eine anonyme wissenschaftliche Auswertung, der eine spätere Hilfe folgen kann.
Tipps gegen das Aufschieben / Prokrastinieren
Zur Vorbeugung gegen ein ständiges Aufschieben kann empfohlen werden,
- wichtige und dringende Aufgaben wahrzunehmen und den eigenen Tagesablauf zu ordnen.
- Weniger wichtige Aufgaben können zunächst ignoriert oder müssen nicht sofort erledigt werden. Sie schaffen dann Platz für die wichtigen Dinge.
- Hinzu kommt ein strukturiertes Zeitmanagement gegen das Prokrastinieren und ein realistisches Verhältnis zwischen Freizeit und Arbeitszeit. Dadurch wird eine ausgeglichene Balance geschaffen, die vor Überforderung und Ängsten vor Versagen schützt. Struktur und Ausgeglichenheit stehen dann dem Prokrastinieren deutlich entgegen.
- Betroffene können dem Drang zum ständigen Aufschieben durch eine Neugestaltung ihres Arbeitsplatzes entgegentreten. Sie sollten versuchen, sich eine Übersicht zu schaffen und Ablenkungen zu vermeiden. Ist der Arbeitsplatz strukturiert und organisiert, kann ein entsprechend geplantes Zeitmanagement ebenfalls dem Aufschiebeverhalten entgegentreten.
- Werden weitere Störfaktoren wie Telefon oder Internet ausgeschaltet, sollten die anfallenden Tätigkeiten gut durchdacht angegangen werden.
- Durch die schriftliche Erstellung einer Prioritätenliste werden die Aufgaben klar und transparent dargestellt. Darstellungen Schwarz auf Weiß führen dazu, dass den Aufgaben mehr Aufmerksamkeit zukommt und diese schneller erledigt werden. Die sichtbare Anordnung dringender Erledigungen führt ebenfalls dazu, dass diese nicht „aus den Augen kommen“.
- Reduzieren Sie die Menge sich selbst aufgeladener Todos: Vielen Menschen gelingt es nicht, Dinge zu erledigen, weil sie sich einfach zu viel vornehmen.
- Üben Sie sich im Neinsagen! Neinsager haben oft das Gefühl, nicht gebraucht zu werden oder zu versagen. Menschen, die über ein Helfersyndrom verfügen, denken hingegen, gebraucht zu werden. Die Folge ist ständiger Stress. Wer jedoch niemandem eine Bitte ausschlagen kann, kann dadurch leicht überfordert sein. Betroffene sollten daher auch einmal Nein sagen können.
- Machen Sie Aufgaben kleiner und kürzer! – Sind die zu erledigenden Aufgaben zu groß und wirken sogar bedrohlich, sollten sie in kleinere Einheiten aufgeteilt werden.
- Das Unangehmste zuerst! Oft sind es die unangenehmsten Aufgaben, welche ständig vor sich hergeschoben werden. Werden diese Dinge jedoch gleich erledigt, können andere weniger unangenehme Dinge viel leichter erledigt werden.
Jeder Aufschieber kennt sogenannte Wenn-dann-Phasen, die sich ständig wiederholen. Ist man mit seiner eigenen Situation unzufrieden oder man denkt, man habe einen schier unüberwindbaren Berg vor sich, kann dies zum weiteren Aufschieben wichtiger Aufgaben führen. Möglich ist, Aufgaben und Ziele auch etappenweise zu erledigen. Betroffene sollten sich überlegen, wo sie gegenwärtig stehen, welche Aktivitäten zu streichen sind und was als Nächstes erledigt werden müsste.
Tipps und Hilfe für Aufschieber bietet dieses Video auf YouTube:
Prokrastination Forum für Diskussionen und Selbsthilfe
Betroffene können sich in einem Forum für Prokrastination registrieren lassen. Das Forum bietet zudem Diskussionsmöglichkeiten über Probleme im Zusammenhang mit Prokrastination und Aufschieberitis: www.prokrastination.net/forum/.
Ein weiteres Forum zum Thema Aufschiebeverhalten ist unter https://www.psychotherapiepraxis.at/pt-forum/viewtopic.php?t=10545 zu finden.