Antidepressiva gehören zu den gängigsten Psychopharmaka. Zwischen den Jahren 2000 und 2011 haben sich die Verschreibungszahlen alleine in Deutschland verdoppelt (Ärzteblatt), und es gibt noch diverse rezeptfreie Antidepressiva. Dieser Trend ist nicht unumstritten, jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Ausführungen. Patienten, die Antidepressiva einnehmen, stellen sich berechtigte Fragen:
- Inwiefern muss ich mein Leben der Erkrankung und den Medikamenten anpassen?
- Und vor allem: Darf ich in Verbindung mit Antidepressiva Alkohol konsumieren? – Sämtliche Beipackzettel warnen explizit vor einem Mischkonsum. Die Frage, ob Antidepressiva mit Alkohol kombiniert werden dürfen, ist generell gesehen deswegen eindeutig mit einem „Nein“ zu beantworten.
Welche Gründe hierfür vorliegen, lesen Sie in den folgenden Ausführungen.
Antidepressiva und Alkohol trinken: Warum ist ein Mischkonsum gefährlich?
Alkohol kann die Wirkungen von Antidepressiva in unkontrollierbarer und unvorhersehbarer Art und Weise verändern oder verstärken. Es sind Fälle mit tödlichem Ausgang bekannt. Der Grund hierfür liegt darin, dass sowohl Alkohol als auch antidepressiv wirkende Medikamente an die gleichen Rezeptoren im Gehirn anbinden. Welche direkten Auswirkungen ein Mischkonsum hat, hängt davon ab, welches Präparat verwendet wird (siehe unsere Antidepressiva Übersicht). Die Antidepressiva unterscheiden sich diesbezüglich in ihrer Wirkung.
Bei gleichzeitigem Alkoholkonsum können die die Nebenwirkungen bestimmter Antidepressiva entgleisen, was jedoch auch von der Disposition des Einzelnen abhängt sowie von der konsumierten Menge.
Lesen Sie hier, welche verschiedenen Antidepressiva in Kombination mit Alkohol auf welche Weise reagieren.
⚠ Tetrazyklische Antidepressiva
Bestimmte Antidepressiva wie Mirtazapin werden aufgrund ihrer chemischen Struktur als tetrazyklische Antidepressiva bezeichnet (siehe tetrazyklische Antidepressiva). Werden solche Medikamente zusammen mit Alkohol eingenommen, verstärken sich die Nebenwirkungen, die auf Herz und Kreislauf Einfluss nehmen. Die Folge können lebensgefährliche Blutdruckentgleisungen und Herzrhythmusstörungen sein, die potenziell tödlich enden können, wenn sie nicht behandelt werden. Die Auswirkungen eines Mischkonsums sind deswegen nicht vorhersehbar. Daher sollte man auf Bier, Wein oder gar Schnäpse möglichst verzichten, wenn Tetrazyklika wie Mirtazapin eingenommen werden. Gleiches gilt für die Wirkstoffgruppe der MAO-Hemmer (MAO Hemmer Liste), da die Folgen nur schwer kontrollierbar sind. Auch Produkte wie alkoholfreies Bier kommen aufgrund ihres Restalkoholgehalts deswegen nicht in Frage.
⚠ SSRI
Als SSRI wird eine Klasse von antidepressiv wirkenden Arzneimitteln bezeichnet, die sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer darstellen. Sie sollen dafür sorgen, dass mehr Serotonin im synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen vorhanden ist (siehe Serotoninmangel und SSRI Hemmer Wirkung). Zu den SSRI gehören Mittel wie Sertralin oder Paroxetin. Diese Medikamente sind nicht unumstritten, weil der Verdacht besteht, dass sie eine Neigung zum Suizid auslösen können (siehe Suizidgedanken). Das Risiko von Wechselwirkungen in Verbindung mit Alkohol gilt hier zwar als geringer als bei den Tetrazyklika und MAO-Hemmern, jedoch sind im Einzelfall gefährliche Folgen wie ein Suizid nicht zu unterschätzen. Möglicherweise stellen Produkte wie alkoholfreies Bier einen praktikablen Kompromiss dar. Auch sogenanntes alkoholfreies Bier beinhaltet zwar eine Menge an Restalkohol, was im Brauverfahren begründet liegt, jedoch ist die konsumierte Menge an Alkohol hier weitaus geringer.
Ob Betroffene entsprechende Tabletten mit alkoholfreiem Bier konsumieren können, sollten sie vorsichtig austesten. Die Reaktionsweise von Mitteln wie Sertralin oder Paroxetin auf Alkohol ist individuell unterschiedlich. Stellen sich ungünstige Wechselwirkungen ein, sollte entsprechende Getränke vermieden werden.
⚠ Trizyklische Antidepressiva
Antidepressiva wie Opipramol (vgl. Wann hilft Opipramol?) werden aufgrund ihrer chemischen Struktur als Trizyklika (trizyklische Medikamente) bezeichnet. Speziell Opipramol, das zu den meist verordneten anti-depressiv wirkenden Mitteln gehört, wirkt angst- und spannungslösend, beruhigend und stimmungsaufhellend. Alkohol verstärkt dabei die sedierenden Eigenschaften dieser Wirkstoffgruppe.
Im schlimmsten Falle kann es zu Bewusstseinsverlust und Atemstillstand kommen. Tabletten, die zu den Trizyklika gehören, sollten deswegen keinesfalls mit Alkohol konsumiert werden. Ansonsten kann es zu tödlichen Folgen kommen. Zudem binden Alkohol und Trizyklika an die gleichen Rezeptoren im Gehirn an. Bereits die isolierte dauerhafte Einnahme von Alkohol oder Trizyklika kann zu Persönlichkeitsveränderungen führen; das bedeutet, die Person reagiert nicht mehr auf gewohnte Art und Weise auf bestimmte Situationen. Ein Mischkonsum von Alkohol und Trizyklika kann diese Tendenz verstärken. Die Betroffenen sind dann nicht mehr sie selbst.
Alkoholismus und Antidepressiva
Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Menschen, die an Alkoholismus leiden, auch depressiv erkranken. Umgekehrt kann Alkohol eine depressive Neigung verstärken (siehe leichte Depression Symptome) und das Problem verschlimmern. Der Grund sind bestimmte biochemische Prozesse im Gehirn.
Was passiert also, wenn ein Betroffener Antidepressiva verordnet bekommt und gleichzeitig alkoholkrank ist?
- Es kommt zu unkontrollierbaren Wechselwirkungen, die in ihren Auswirkungen von der konsumierten Menge, dem Präparat und von der Konstitution des Einzelnen abhängen.
Was passiert wiederum, wenn ein Alkoholkranker seine Sucht unter Kontrolle bringt?
- Die alkoholinduzierten Depressionen bessern sich in den meisten Fällen oder heilen sogar ganz aus.
- Ist eine Depression die primäre Erkrankung bessert sich auch diese bei Verzicht auf Schnaps, Bier, Wein & Co in aller Regel.
Gleichzeitig versuchen viele depressiv Erkrankte ihr Leid in Form einer Selbsttherapie zu lindern, indem sie Alkohol trinken. Dies ist in gewisser Weise verständlich, weil der Leidensdruck, der durch eine Depression verursacht wird, enorm sein kann. Der erste positive Effekt wie ein Gefühl der Gelöstheit und Erleichterung wiegt jedoch nicht die negativen Folgen von Alkoholismus auf (vgl. schwere Depression und Alkohol). Alkoholismus und Depression sind vielmehr zwei Erkrankungen, die sich zum Teil gegenseitig bedingen und verstärken.
Der erste Schritt besteht dann darin, zunächst die physische Alkoholabhängigkeit zu therapieren, um in der Folge dann auch die Depressionen behandeln zu können. Menschen, die eine Neigung zu Depressionen haben, sollten ihren Alkoholkonsum deswegen sorgfältig kontrollieren – so minimale Mengen wie möglich trinken, wenn Abstinenz schon nicht geht.
Antidepressiva und Alkohol: Quellen und weiterführende Ressourcen:
- https://www.gesundheits-fakten.de/antidepressiva-und-alkohol-wechselwirkungen-und-risiken/
- https://www.dr-gumpert.de/html/antidepressiva_alkohol.html
- https://www.alkoholismus-hilfe.de/antidepressiva.html