Was ist Angst? Und wie bekomme ich sie bewältigt?
Keiner hat gern Angst. Und seine Angst überwinden – möglichst einfach und effektiv – das möchte wohl jeder. Doch geht es einfach und effektiv? – Das hängt sehr von Art, Objekt und Schwere der Angst(zustände) ab…
Im Allgemeinen kann Angst als eine ganz natürlich und wichtige Funktion betrachtet werden, die uns und unseren Körper vor etwaigen Gefahren schützt. Allerdings haben sehr viele Menschen heutzutage mit Ängsten zu tun, die kaum mehr etwas mit lebensbedrohlichen Umständen zu tun haben. Dennoch lösen diese Ängste in einem die gleichen stressvollen Gedanken und Gefühle aus, wie eine reale Bedrohung.
Chronische Angst, Panikattacken, Phobien und andere Angststörungen gehören derzeit zu den weit verbreitetsten Alltagsproblemen und psychischen Erkrankungen. Sie führen häufig dazu, dass Menschen sich in ihrem Alltag radikal einschränken, da sie glauben, sie könnten ihre Angst mit Vermeidungsstrategien besiegen.
Grundsätzlich kann man Angstzustände in zwei große Klassen einteilen.
- Zum einen konkrete Ängste, oft auch als Furcht bezeichnet, vor bestimmten Ereignissen, Zuständen, Personen oder Umständen. Dazu gehört der ganze Bereich der Phobien, wie z.B. die Angst vor Hunden, die Angst vor Dunkelheit, die Angst vor großen Plätzen und Menschengedränge (vgl. Angst vor Menschenmassen / Ochlophobie vs. Agoraphobie), Berührungsängste, die Angst vor dem Zahnarzt (Dentophobie) oder so spezifisch körperliche Ängste wie die Angst vorm Erbrechen oder die Angst vorm Durchfall.
- Zur zweiten Klasse gehören die ganzen unspezifischen Ängste, die nicht so konkret auf Objekte gerichtet sind, sondern in denen es eher um die inneren Erlebnisse der Angst geht – Panikattacken und chronische Angst, auch generalisierte Angststörung genannt, sind hier vor allem zu nennen. Bei Panikattacken handelt es sich um kurze, sehr heftig empfundene Angstreaktionen, die schnell auftreten und zumeist mindestens über mehrere Minuten andauern. Sie sind sehr häufig verbunden mit starken physischen Reaktionen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen und Atemnot. Bei chronischer Angst handelt es sich meist um langanhaltende nervöse Zustände, in denen man sich ständig wegen allem möglichen Sorgen macht und vor den verschiedensten Situationen in Unruhe versetzt werden kann, die mal stärker und mal schwächer ausfallen und zumeist auch mit stärkeren körperlichen Symptomen einhergehen.
Ängste verstehen und überwinden
Erst einmal gilt es, sich darüber klar zu werden, unter was für Ängsten man eigentlich genau leidet. Dafür ist es sehr hilfreich, sich zunächst ein wenig mit sich auseinanderzusetzen. Wenn es sich einfach um klare sehr spezifische Phobien handelt, ist es den meisten natürlich bewusst, wann ihre Ängste auftreten. Immer dann, wenn das Objekt, vor dem sie sich fürchten auftaucht. Bei sogenannten Tier- oder Naturphobien immer dann, wenn ein Hund auftaucht, es zu donnern beginnt, man eine Spinne entdeckt oder man auf ein Mäusenest stößt.
Fast ähnlich einfach ist es, wenn es sich um sogenannte situative Phobien handelt, wie Höhenangst, die Angst vor Aufzügen, die Angst davor, ein Flugzeug zu betreten oder um die Angst davor, Blut zu sehen oder eine Spritze zu bekommen. Aber auch bei diesen spezifischeren Ängsten ist es wichtig, dass man herausfindet, wie und mit welcher Intensität die Ängste auftreten und unter welchen Umständen man sie leichter loswerden kann.
Bei Panikattacken und generalisierter Angst ist es noch wichtiger, erst einmal die Beobachtungsgabe zu schulen, da die Angst hier häufiger und heftiger auftreten oder einen sehr langanhaltend begleiten kann, ohne dass die Ursache unbedingt leicht auszumachen ist.
Im Folgenden werden wir Ihnen ein paar Tipps und Strategien vorstellen, mit denen Sie Ihre Angstgefühle bewältigen und Angst überwinden können.
Dokumentieren Sie Ihre Ängste
Eine gute Methode, seine Ängste zu verstehen und zu besiegen, besteht darin, sie zunächst einmal aufzuschreiben und so genau wie möglich zu dokumentieren. Diese Arbeit kann Ihnen zum einen eine Hilfe dabei sein, Ihre Ängste besser zu bewältigen, da Sie lernen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Zum anderen können Sie schon nach einer Woche oder einem Monat nach Durchsicht Ihrer Dokumentation erste Rückschlüsse über ihre Ängste ziehen und auch besser herausfinden, welche Strategien wohl am angemessensten dabei helfen werden, dass Sie Ihre Angstzustände loswerden. Sie können zum Beispiel folgendermaßen vorgehen.
- Zunächst besorgen Sie sich ein schönes, auf Sie angenehm und beruhigend wirkendes Notizbuch.
- Dann beginnen Sie einfach jedes Mal, wenn Ihre Angst aufkommt, sie niederzuschreiben.
- Vermerken Sie an welchem Tag und zu welcher Stunde die Angst begann und machen sie einige weitere Notizen, am besten so detailliert wie möglich.
- Neben den auslösenden Reizen (wenn Sie sich nicht sicher sind, was Ihre Angst oder Panik auslöste, spekulieren sie ruhig), notieren Sie sich auch, wie Sie sich vorher gefühlt haben und was Sie gemacht haben und vor allem auch, wie lange der Angstzustand andauerte.
- Schließlich ist ein Faktor auch noch besonders wichtig, den Sie sich am besten immer ganz übersichtlich bei jedem Eintrag notieren: wie intensiv das jeweilige Angstgefühl war.
Die Intensität der Angst
Eine gute Methode die Intensität Ihrer Panikattacken und Angstzustände zu bewerten, besteht darin, dass Sie auf einer Skala von den Leveln 0-10 einschätzen, wie heftig sie die Angst überkam.
Dafür sollten Sie sich aber klarmachen, auch um das normale Gefühl von Angst und Nervosität zu begreifen, wie diese Skala am besten zu verstehen ist.
- Nervosität, Aufregung, Angst sind schließlich ganz normale Zustände und wir sollten uns bewusst sein, dass ein durchschnittlicher Mensch ohne Angstprobleme bei normalen Alltagsbeschäftigungen auch schon auf einem Nervositätslevel von 3-4 sein kann.
- Ein Level von 2 haben Sie in entspannten Zuständen, das Level 1 könnte man dem Tiefschlaf zu ordnen und das Level 0 hat man wohl nur, wenn man bereits tot ist.
- Im Gegenzug kann man von einer sehr heftigen Panikattacke auf den Leveln 8-10 sprechen.
- Leichtere Angstattacken rangieren zwischen 7-8 (vgl. auch unterschwellige Panik) und
- stärkere allgemeine Angst-, Nervositäts- und Unruhezustände geschehen meistens auf den Leveln 5-7.
Da Angst ein subjektives Erlebnis ist, kann es hier natürlich keine objektive Einteilung geben. Für manch einen ist das Gefühl eines leichten Angstzustandes vielleicht schon eine Panikattacke, und jemand anderes erachtet heftige Angstzustände noch als relativ normal. Aber wenn Sie beginnen, mit so einem Modell zu arbeiten, werden Sie sich und ihre Angst besser kennen und einschätzen lernen. Und Sie werden Situation, die Sie unnötig beunruhigen, anders zu gestalten lernen und verstehen, wie Sie ihr Angstlevel, wenn es einmal höher ausschlägt, wieder runterfahren können und so den Großteil der Angst überwinden können.
Dazu werden wir Ihnen im Folgenden ein paar Tipps und Ansätze zur Seite stellen.
Angst überwinden – Einfache Methoden gegen Angstgefühle
Die richtigen Methoden gegen Ihre Ängste hängen natürlich auch stark von dem Inhalt Ihrer Angst ab. Wenn Sie die Angst vor Krankheiten besiegen wollen, müssen Sie anders vorgehen, als wenn Sie die Angst vor Nähe überwinden oder Beziehungsängste lösen wollen. Und wenn Sie Höhenangst bekämpfen wollen, brauchen Sie andere Methoden, als wenn Sie Ihre Zukunftsangst bewältigen wollen.
Doch wie wir gesehen haben, ist das nicht der einzige Faktor. Denn das Gefühl der Angst fühlt sich meist relativ ähnlich an, egal, durch was es ausgelöst wird. Das heißt, Sie können in akuten Situationen auch zunächst direkt mit der Angst arbeiten, unabhängig davon, welche Ursachen oder Inhalte sie hat – denn sie ist eben auch ein altes evolutionäres Erregungsprogramm, das in unserem Körper abläuft. Wenn Sie die Umstände und Intensität Ihrer Angst besser kennen gelernt und verstanden haben, wird es Ihnen leichter fallen, die angemessenen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die naheliegendste, unkomplizierteste und natürlichste Hilfe besteht natürlich darin, Ihren Körper, der unter Angst leidet, mit Ihrem Körper zu begegnen und ihn wieder auf ein Niveau zu bringen, in dem er entspannt ist oder Ihnen zumindest die Angst nicht mehr ganz so viel ausmacht.
Denn Sie dürfen nicht vergessen: Es ist Ihr Körper, der Angstsymptome zeigt, der nervös wird, der Stresshormone produziert und nicht aufhört Gedanken und Gefühle zu aktivieren, die Sie fortwährend weiter in Bedrängnis setzen.
Deswegen können Sie dem auch mit Ihrem Körper entgegenwirken. Bewährte Techniken stellen dabei natürlich Atemübungen (siehe auch richtig Atmen), Meditation (siehe Meditation lernen), Autogenes Training und andere Entspannungstechniken dar.
Auch Sport sollte definitiv nicht vernachlässigt werden. Denn obwohl das Erregungslevel, dass bei einer anstrengenden sportlichen Aktivität aufkommt, sich für viele Angstpatienten zunächst sehr ähnlich wie das, in einem Angstzustand anfühlt, ist der Unterschied doch gravierend. In einem Angstzustand produziert Ihr Körper sehr ähnliche Stresshormone, wie in einem sportlichen Szenario. Er bereitet Sie darauf vor, jetzt schnell handeln zu können, er gibt Ihnen Hormone und Antrieb zur Verfügung, die sofort in eine körperliche Aktion umgesetzt werden können. Aber stattdessen agieren die meisten Menschen in einer Panikattacke überhaupt nicht die energetischen Reserven aus, die ihnen ihr Körper für eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion zur Verfügung stellt. Sondern sie wählen statt fight-or-flight einfach die Variante des „Totstellens“ und vergeuden damit die Chance, dass die in ihnen angesammelten Hormone, durch eine aktive körperliche Aktivität auch wieder abgebaut werden können – ein Prozess, der zumeist mit einer großen Endorphin-Ausschüttung und Beruhigung einhergeht und zudem dabei hilft, mangelndes Selbstvertrauen zu überwinden.
Aber am besten suchen Sie sich zunächst ein oder zwei Techniken aus, die Sie eine Weile lang praktizieren, um in akuten Situationen mit Ihrer Angst umgehen und Ihre Angst überwinden zu können.
Am Ende dieses Artikels haben wir Ihnen eine Soforthilfe-Atemübung gegen eine Panikattacke gestellt und eine geführte Meditation, die Ihnen längerfristig helfen kann, mit Ihren Ängsten umzugehen.
Bedenken Sie aber auch immer den Intensitätsgrad Ihrer Angst, um die richtige Technik zu finden. Bei einer nicht ganz so starken Nervosität oder Angstattacke, die sich zwischen den Leveln 5-7 bewegt, genügt es vollkommen, wenn Sie eine ruhige Meditation oder Entspannungsübungen vollziehen, um Ihren Körper wieder runterzufahren. Bei heftigen Panikzuständen, wie der Angst verrückt zu werden oder zu kollabieren, dass sich meist auf den Leveln 8-10 bewegt, brauchen Sie auch stärkere Gegenmaßnahmen: Sofort-Hilfe-Atem-Übungen, sportliche Betätigung oder ein wirklich offenes Gespräch, mit einem Menschen, dem Sie vertrauen.
Verzweifeln Sie nicht – Angstzustände sind ein weit verbreitetes und sehr gut behandelbares Phänomen
Daneben gibt es natürlich noch viele andere Methoden Ihrer Angst Herr zu werden.
- Sie können eine Klopftechnik gegen Angst benutzen, wie die Meridian-Energie-Technik (MET) nach Franke oder die Emotional Freedom Techniques (EFT) nach Craig.
- Sie können mit positiven Affirmationen arbeiten und
- negative Gedanken in positive umwandeln.
- Oder Sie können sich auch rezeptfreie Beruhigungsmittel besorgen, wie die mittlerweile sehr populären Rescuetropfen aus der Bachblüten-Therapie.
- siehe auch Psychokinesiologie
Angst überwinden mit Arzt und Psychotherapeut: Wenn Sie längerfristig mit Ihren Ängsten zu kämpfen haben, sollten Sie natürlich unbedingt Ihren Arzt aufsuchen, um mit ihm herauszufinden, welche Therapie (siehe Psychotherapie, Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, Konfrontationstherapie, Gestalttherapie u.a.) Ihnen am besten bei Ihrer Angstbewältigung helfen kann.
- Um Phobien und akuten Panikattacken zu überwinden, haben sich vor allem die sogenannten kognitiven Verhaltenstherapien und die Angstbewältigung durch Hypnose als sehr wirksam erwiesen.
- Wenn Sie eher unter einer generalisierten Angststörung mit nicht ganz so ausgeprägten Panikschüben leiden, empfiehlt sich zum Beispiel eine psychoanalytische Therapie, die Ihnen helfen wird, die wirklichen Ursachen und Hintergründe Ihrer Ängste zu begreifen.
- Auch verschreibungspflichtige angstlösende Medikamente, wenn Sie nicht zu intensiv eingesetzt werden, können einen guten Beitrag dazu leisten, dass Sie erst einmal wieder Herr über Ihre Lage werden und entscheiden können, welche längerfristigen Wege Sie gegen Ihre Ängste einschlagen wollen.