Depressionen und Alkohol - ein fatales Tandem (© Photographee.eu / Fotolia)

Depressionen und Alkohol – ein fatales „Tandem“

Fachleuten ist es ein nur allzu gut bekanntes Phänomen, dass viele psychisch erkrankte Menschen zu diversen Suchtmitteln greifen, um in einer Form von Selbsttherapie ihr Leid zu lindern. Dies gilt insbesondere für die Kombinationen Depression, Burnout und Alkohol bzw. Medikamentenmissbrauch.

Am häufigsten findet sich das fatale „Tandem“ Depression und Alkohol. Dies liegt darin begründet, dass Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen gehören. Manche Statistiken sprechen davon, dass elf Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben an einer depressiven Episode erkranken (vgl. ICD 10 F32.1). Alkohol wiederum gehört zu den gängigsten Suchtmitteln und ist leicht und kostengünstig zu erwerben. Zudem ist ein gemäßigter Konsum gesellschaftlich akzeptiert.

Im Folgenden finden Sie Ausführungen, warum gerade die Kombination aus Depression und übermäßigem Alkoholkonsum aber so problematisch ist. Eine sachliche Standpauke.

Was sind Depressionen?

Eine depressive Erkrankung kann viele Formen annehmen. Eine depressive Grundstimmung spielt außerdem bei zahlreichen psychischen Krankheiten eine Rolle – Beispiele: bipolare Erkrankung, Schizophrenie (vgl. Schizophrenie Symptome), Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Depressionen sind meist gekennzeichnet durch eine dauerhaft gedrückte Stimmung, ein Gefühl der inneren Leere, verminderten Antrieb, Hoffnungslosigkeit, Interesselosigkeit und Freudlosigkeit / Anhedonie. Häufig gesellen sich psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit oder übersteigerter Appetit hinzu.

Die Lage erscheint den Betroffenen aussichtslos. Zudem grübeln Erkrankte häufig viel und sitzen oft in einer nicht enden wollenden Selbstbeschuldigungsfalle. Die immer gleichen Gedanken wiederholen sich und werden stets aufs Neue durchexerziert, ohne dass jedoch ein produktives Ergebnis erzielt wird.

Der Leidensdruck kann so stark werden, dass er sogar in einem Selbstmordversuch mündet. Betroffene sind je nach Schweregrad der Depression deswegen dringend auf therapeutische Hilfe angewiesen (apotheken-umschau.de/Depression). Häufig wissen Erkrankte aber gar nicht, dass sie an einer Depression leiden, weil sie nicht verstehen, was mit ihnen geschieht und die Symptome nicht einordnen können. Deswegen liegt es nahe, dass sie nach einfachen Alternativen suchen, um ihr Leid zu lindern. Kein Suchtmittel ist hingegen so leicht erhältlich wie Alkohol und stimuliert so schnell. Die spezifische Wirkweise von Alkohol verschafft dabei zunächst ein Gefühl der Linderung.

Sucht nach Alkohol und Depressionen - ein fatales, aber häufig auftretendes Zusammenspiel (© rr041 / Fotolia)
Sucht nach Alkohol und Depressionen – ein fatales, aber häufig auftretendes Zusammenspiel (© rr041 / Fotolia)

Die Wirkung von Alkohol

Alkohol in kleinen Mengen ruft zunächst ein beschwingtes Gefühl der Leichtigkeit hervor. Die Lage erscheint nicht mehr so hoffnungslos, eine gehobene Stimmung und Gelöstheit sind die Folgen. Dies kann den Eindruck hervorrufen, dass sich Betroffene für kurze Zeit besser fühlen und ihre Sorgen vergessen. Gerade Menschen, die durch eine Depression niedergedrückt werden, erscheint dies zunächst als Segen, weil die Schwere der Symptome kurzfristig nachlässt. Deswegen ist es nicht erstaunlich, dass Depressionen häufig in Verbindung mit Alkoholmissbrauch anzutreffen sind (siehe Alkoholismus erkennen). Man spricht dann von einer Komorbidität, d.h., zwei verschiedene Krankheitsbilder treten in Kombination miteinander auf (siehe Komorbidität Definition). Die Problematik liegt jedoch darin, dass bei Alkohol sehr schnell eine Toleranzentwicklung eintritt und immer größere Mengen benötigt werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Zudem kann das Gefühl der Leichtigkeit, das zunächst empfunden wird, sehr schnell zu einer psychischen Abhängigkeit führen, da es im Wesen jeder Droge liegt, dass Betroffene den positiven Effekt möglichst bald wieder spüren wollen (welt.de/kmpkt/article160647675/Wie-der-Alkoholrausch-im-Gehirn-entsteht.html). In größeren Mengen kann Alkohol durch seine enthemmende Wirkung zu Aggressionen und Gereiztheit führen. Dies zieht weitere Probleme nach sich.

Wird dieser Kreislauf nicht durchbrochen, tritt mit der Zeit auch eine physische Abhängigkeit ein. Auf Dauer werden dann sämtliche körperlichen Organe in Mitleidenschaft gezogen und die Persönlichkeit verändert sich in negativer Art und Weise. Soziale Probleme sind weitere Folgen, was bis hin zum Arbeitsplatzverlust und gescheiterten Beziehungen führen kann. Vor allem Männer greifen dabei gerne zum Alkohol, um Gefühle der Schwermut zu lindern, während Frauen häufiger zu Medikamentenmissbrauch neigen: Rund 70% der Alkoholkranken in Deutschland sind männlich. Hingegen sind circa 60% der Medikamentenabhängigen weiblich. Statistisch trinken Männer im Durchschnitt immer noch wesentlich mehr Alkohol als Frauen (55plus-magazin.net/php/maenner_trinken_deutlich_haeufiger_alkohol_als_frauen,17100,10092.html). 1,3 Millionen Menschen in Deutschland gelten im engeren Sinne als alkoholabhängig. Eine vielfache Anzahl weist ein problematisches Konsumverhalten auf.

Wechselwirkungen zwischen Depression und Alkohol

Statistisch gesehen leiden zahlreiche Alkoholiker auch an Depressionen. Dies ist auf die gehirnschädigende Wirkung des Suchtmittels zurückzuführen: Natürliche Botenstoffe werden auf Dauer durch Alkohol ersetzt und der Körper drosselt deren Produktion. Die Folge ist, dass sich Alkoholabhängige nur noch dann „normal“ fühlen können, wenn sie konsumieren.

Doch die Problematik geht noch tiefer: Häufig entwickeln Alkoholiker eine Depression, die zum einen neurobiologisch erklärt werden kann, zum anderen aus sozialen Faktoren wie Scham und zunehmender gesellschaftlicher Ausgrenzung resultiert. Leben Betroffene abstinent, verschwinden meist auch die Depressionen wieder.

Biochemische Reaktionen im Gehirn bei dauerhaftem und übermäßigem Alkoholkonsum führen außerdem dazu, dass bereits bestehende Depressionen mit der Zeit verstärkt werden (alkoholismus-hilfe.de/alkoholismus-depressionen.html). Verschaffte der Alkohol zu Beginn Erleichterung hinsichtlich der depressiven Symptome, verstärkt er diese mit der Zeit. Ein Teufelskreislauf beginnt. Häufig ist deswegen nicht mehr auszumachen, was zuerst da war: die Depressionen oder der Alkoholmissbrauch. Jedoch kann eine depressive Erkrankung nur dann erfolgreich behandelt werden, wenn Betroffene abstinent leben, da ansonsten nur schwer unterschieden werden kann, was die Symptome auslöst.

Suchtentwicklung: Zwischen Missbrauch von Alkohol und Depression besteht eine hohe Komorbidität (© Corinna Gissemann / Fotolia)
Suchtentwicklung: Zwischen Missbrauch von Alkohol und Depression besteht eine hohe Komorbidität (© Corinna Gissemann / Fotolia)

Wechselwirkungen zwischen Antidepressiva und Alkohol

Bei der Einnahme von Psychopharmaka wird grundsätzlich von gleichzeitigem Alkoholkonsum abgeraten. Begründet werden kann dies damit, dass Alkohol die Wirkung von Psychopharmaka wie Antidepressiva in unvorhersehbarer und unkontrollierbarer Weise verändern bzw. verstärken kann (siehe auch Psychopharmaka Nebenwirkungen). Zahlreiche gesundheitliche Komplikationen sind möglich. Es sind sogar Todesfälle protokolliert.

Inwieweit Komplikationen auftreten, hängt zum einen vom Einzelnen und dessen Empfindlichkeit ab, zum anderen von der konsumierten Menge und vom eingenommenen Präparat. Der Grund für die Wechselwirkungen ist, dass sowohl Alkohol als auch Antidepressiva die gleichen Rezeptoren im Gehirn ansprechen. Denkbar sind dadurch folgende Wechselwirkungen:

  • Die Medikamente wirken nicht mehr so stark, weil die Aufnahme der Wirkstoffe an den Rezeptoren durch den Alkohol blockiert wird.
  • Es ist aber auch möglich, dass Antidepressiva verstärkt wirken: In diesem Fall intensiviert Alkohol deren Aufnahme an den Rezeptoren, weil die gleichen Stoffwechselprozesse ablaufen.
  • Zudem kann die Wirkdauer der Medikamente verlängert werden.

Dies kann zu ganz unterschiedlichen Komplikationen führen:

Von Alkoholkonsum bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva ist deswegen dringend abzuraten (gesundheits-fakten.de/antidepressiva-und-alkohol-wechselwirkungen-und-risiken/).

Therapie bei Missbrauch von Alkohol und Depressionen

Bei einer Komorbidität, die sich aus Alkoholabhängigkeit einerseits und Depressionen andererseits zusammensetzt, besteht der aktuelle Behandlungsansatz darin, die Betroffenen zunächst dazu zu animieren, sich einem Alkoholentzug zu unterziehen. Da ein Alkoholentzug zu lebensgefährlichen Krampfanfällen führen kann, sollte dieser mithilfe von Medikamenten und unter ärztlicher Aufsicht stattfinden. Dies kann ambulant oder im stationären Rahmen geschehen. Dabei kann es nicht darum gehen, gegenüber Alkoholabhängigen Schuldzuweisungen zu formulieren, sondern darum, Betroffenen deutlich zu machen, wie viel an Lebensqualität sie gewinnen können, wenn sie ihre Sucht besiegen. Dies stärkt die Eigenmotivation und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie ein dauerhafter Erfolg wirkt. Alkoholinduzierte Depressionen verschwinden dann meist wieder.

Liegt keine physische Abhängigkeit vor, sondern „lediglich“ ein problematischer Konsum, kann das erste Therapieziel darin bestehen, die Trinkmenge drastisch zu reduzieren. Gelingt ein kontrollierter Umgang mit Alkohol nicht, ist eine völlige Abstinenz anzustreben.

Lag eine depressive Erkrankung zuerst vor, kann diese nach einem Entzug erfolgreich therapiert werden. Dabei gibt es verschiedene Ansatzmöglichkeiten. De facto sind affektive Störungen wie Depressionen gut behandelbar. Betroffenen sollte deutlich gemacht werden, dass Alkoholkonsum ihre Grundproblematik verstärkt und nicht bessert. Wird kaum oder kein Alkohol mehr konsumiert, bessern sich häufig auch die Depressionen als primäre Erkrankung. Dabei sollte Betroffenen aufgezeigt werden, dass es gesündere und effektivere Bewältigungsstrategien gibt, als Suchtmittel zu konsumieren.

Buch: Die Doppelerkrankung aus Depression und Alkohol besiegen (Amazon)
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Depressionen und Alkohol besiegen: Selbstwerttrainings und Sport sind elementare Bausteine

Da Erkrankte häufig an einem Selbstwertdefizit (vgl. mangelndes Selbstvertrauen) leiden, ist es angezeigt, gerade das Selbstbewusstsein zu stärken, statt Schuldzuweisungen zu artikulieren. Schuldgefühle sind meist Teil der depressiven Problematik.

Ideal ist es, wenn Depressive dazu animiert werden können, regelmäßig Sport zu treiben. Es ist erwiesen, dass dies das beste natürliche Antidepressivum ist. Auf Dauer können dann möglicherweise Medikamente, die selbst wiederum zahlreiche Nebenwirkungen haben, abgesetzt oder zumindest reduziert werden. Dabei gilt es stets, die Eigenmotivation zu stärken und Betroffene dazu anzuleiten, erfolgreich Selbstverantwortung zu übernehmen. (therapie.de/psyche/info/index/diagnose/sucht/therapie-alkoholbedingter-stoerungen/). Regelmäßiger Sport macht insgesamt widerstandsfähiger gegen psychische und physische Erkrankungen. De facto handelt es sich allemal um eine bessere Alternative, als seinen Schmerz mit Alkohol zu betäuben.

Hilfreiche Videos zum Thema Alkohol und Depression

Zum Weiterlesen:

Alkoholismus: Typen, Tests, Therapien

Ängste, Phobien, Panikattacken > Angststörungen und Angsterkrankungen