Was Sie über freiwillige und unfreiwillige Einweisung in die Psychiatrie wissen müssen
Eine psychiatrische Klinik ist sicherlich ein Ort, an dem niemand sein möchte. Dennoch können laut aktueller Rechtsprechung triftige Gründe für eine Einweisung vorliegen, ob der Betroffene sich freiwillig in stationäre Behandlung begibt oder unfreiwillig gegen seinen Willen dorthin verbracht wird.
Lesen Sie hier alles Wissenswerte über die Voraussetzungen, die gesetzlichen Regelungen, den Ablauf bei einer Aufnahme, die Dauer des Aufenthalts und andere Formalien.
Das „Psychisch-Kranken-Gesetz“ regelt Zwangseinweisung
In den meisten Bundesländern ist eine Einweisung eines Patienten in eine psychiatrische Klinik nach dem „Psychisch-Kranken-Gesetz“ geregelt (PsychKG). Darin hat der Gesetzgeber festgehalten, dass im Falle einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung Betroffene durch Angehörige, Betreuer, den Sozialpsychiatrischen Dienst, das Amtsgericht oder durch die Polizei auch ohne ihre Einwilligung unfreiwillig eingewiesen werden können.
Bestehen Patienten, deren Einweisung unter Zwang erfolgte, auf ihrer Entlassung, entscheiden Ärzte und Therapeuten jedoch, dass der Betroffene die Klinik ohne Gefahr nicht verlassen kann, müssen Betroffene innerhalb von 48 Stunden nach Einweisung einem Richter vorgeführt werden. Dieser trifft die letztendliche Entscheidung über den Verbleib. Auf richterliche Einweisung hin müssen Personen, die als akute Gefahr für sich oder andere eingestuft werden, für die Dauer der richterlichen Anordnung in der geschlossenen Psychiatrie verbleiben.
In Bayern und im Saarland werden diese Bestimmungen zur Psychiatrie Zwangseinweisung als „Unterbringungsgesetz“ bezeichnet, in Hessen als „Freiheitsentziehungsgesetz„.
Was ist Eigen- oder Fremdgefährdung? – Gründe / Voraussetzungen für Einweisung unter Zwang
Eigen- oder Fremdgefährdung ist gegeben, wenn Leib, Leben oder Gesundheit der Betroffenen oder anderer Personen durch eine psychische Erkrankung gefährdet sind (siehe auch psychische Erkrankungen Arten). Die einzelnen Bundesländer sehen dabei unterschiedlich scharfe Regelungen vor. Die strengsten Vorgaben hat Bayern. Zwangsmaßnahmen wie insbesondere die Psychiatrie-Einweisung unter Zwang durch Polizei & Co. sind in Bayern auch dann statthaft, wenn in „erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet“ ist.
Doch wann ist eine Selbst- oder Fremdgefährdung der Fall? Ein klarer Fall von Eigengefährdung ist nach einem Suizidversuch gegeben („Einweisung Psychiatrie nach Suizidversuch„). Auch wenn Angehörige oder andere Personen beobachten, dass ein psychisch Kranker offenkundig Selbstmordgedanken hat, können sie ihn einweisen lassen.
Häufig sind Depressionen der Auslöser für Selbstmordgedanken (siehe auch Anzeichen einer Depression). Der Betroffene kann in einem solchen Zustand unfreiwillig in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden, damit seine Depressionen behandelt werden. Gleiches gilt, wenn der Patient bedingt durch seine psychische Erkrankung andere angegriffen oder bedroht hat. Dann erfolgt die Einweisung häufig durch die Polizei, die zu Zwangsmaßnahmen greifen kann, oder durch Angehörige, wenn diese Fällen von häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.
Der Ablauf nach der Einweisung
Gut zu wissen: Nach einer Einweisung unter Zwang hat der Patient das Recht, innerhalb von 24 Stunden mit einem Arzt zu sprechen. Entweder erfolgt dann die Entlassung, der Betroffene willigt freiwillig in eine Behandlung ein oder es muss – im entgegengesetzten Falle – innerhalb von weiteren 24 Stunden ein Richter hinzugezogen werden. Bei einer richterlichen Einweisung muss sich der Betroffene gegebenenfalls auch einer Zwangsbehandlung (beispielsweise durch Psychopharmaka, siehe auch antipsychotische Medikamente) unterziehen. Ziel soll es dabei sein, den Patienten zu stabilisieren und eine weitere Eskalation der Krise zu vermeiden.
Neben der Psychopharmakotherapie kommen dabei auch Therapiemaßnahmen wie Ergotherapie, Musiktherapie oder Gespräche zum Einsatz. Nach Ablauf der Anordnung entscheidet erneut ein Richter über den weiteren Verbleib des Patienten. Denkbar ist es dann, dass der Betroffene von der geschlossenen Psychiatrie auf eine offene oder halboffene Station verlegt wird. Entscheiden Sachverständige, dass Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung vorliegt, ist laut aktueller Rechtsprechung auch eine Vorsorgevollmacht im Zuge einer Patientenverfügung nicht ausreichend, um einem unfreiwilligen Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik vorzubeugen.
Kritik an gesetzlichen Grundlagen zur Psychiatrie Einweisung unter Zwang
Insbesondere Initiativen von ehemaligen Patienten, aber auch Angehörigen-Gruppen äußern immer wieder Kritik am „Psychisch-Kranken-Gesetz“. Sie sehen dieses als zu willkürlich an. Dabei wird vor allem das Missbrauchspotenzial des Gesetzes kritisiert. Die entsprechenden Organisationen weisen auf die Gefahren eines unfreiwilligen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik hin und betonen die Tragweite von Traumata durch Psychiatrie Zwangseinweisungen und anderen Schäden, die durch eine falsche Behandlung in der Nervenanstalt entstehen können. Zudem betonen sie, dass der Interpretationsspielraum, um jemanden gegen seinen Willen einweisen zu lassen, zu groß ist. Wann ist (außer in offensichtlichen Fällen) tatsächlich von einer Eigen- oder Fremdgefährdung auszugehen? Zudem betonen kritische Stimmen, dass ein Therapieerfolg ohne die Einwilligung des Betroffenen sehr zweifelhaft ist. Das „Psychisch-Kranken-Gesetz“ steht deswegen immer wieder zur Diskussion. Stattdessen wird die Stärkung der Rechte von Betroffenen eingefordert, die im Falle einer Zwangseinweisung derzeit sehr eingeschränkt sind.
Einweisung in Psychiatrie freiwillig ► Wann kann ich mich selbst einweisen lassen?
Im Gegensatz zu Zwangseinweisungen gibt es auch Situationen, in denen psychisch Kranke oder Menschen in psychischen Krisensituationen freiwillig selbst Hilfe in psychiatrischen Kliniken suchen. Voraussetzung für eine Aufnahme ist, dass ein Arzt eine Überweisung ausstellt. Dies kann der Hausarzt oder der Facharzt tun. Wenn möglich, sollte dann ein Aufnahmetermin mit der Klinik der Wahl vereinbart werden.
Menschen in akuten psychischen Krisen können jedoch auch bei der psychiatrischen Institutsambulanz vor Ort vorstellig werden und um eine Aufnahme bitten, falls die Zeit drängt. Sie müssen dann ihre Gründe darlegen, warum sie um einen stationären Aufenthalt bitten. Der diensthabende Arzt entscheidet dann über den weiteren Verlauf, nachdem er sich ein Bild des Betroffenen gemacht hat. In manchen Fällen ist bereits ein stabilisierendes Gespräch ausreichend. Auf diese Weise soll Betroffenen auch in konkreten Belastungssituationen geholfen werden.
Video: Zwangseinweisung in die Psychiatrie
Einweisung Psychiatrie | Quellen und weiterführende Ressourcen und Infos
- Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen
bei psychischen Krankheiten
(PsychKG); regelt in den meisten Bundesländern die Psychiatrie Einweisung, gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=PsychKG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true - Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz – UnterbrG); regelt Zwangseinweisung Psychiatrie in Bayern, gesetze-bayern.de/Content/Document/BayUnterbrG?AspxAutoDetectCookieSupport=1
- (Freiheitsentziehungsgesetzt); regelt in Hessen die Psychiatrie Einweisung unter Zwang, rv.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_rv.html?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=30&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-FrhEntzGHErahmen%3Ajuris-lr00&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1#docid:146105,1,19970716