Viele Menschen fürchten nichts mehr, als von anderen als psychisch krank – und damit mit Defiziten behaftet stigmatisiert zu werden, nur weil sie einen Psychologen konsultieren. Oftmals wird der Mitwelt möglichst lange verheimlicht, dass jemand psychische Probleme wie Depressionen, innere Konflikte oder Angststörungen hat. Früher oder später ist es aber kaum möglich, solche Probleme vor allen Bekannten und Verwandten zu verbergen, weil sie irrationales Handeln oder einen sozialen Rückzug zeitigen.
Depressionen oder Panikattacken, Persönlichkeitsstörungen oder eine Unfähigkeit, sich aus Verstrickungen innerhalb einer Beziehung zu lösen, verunsichern und belasten aber auch die Betroffenen selbst. Viele Menschen, die bereits eine Gesprächspsychotherapie absolviert haben, fanden hier Hilfestellungen. Sie konnten ein neues Verständnis ihrer selbst, ihrer Bewertungsmuster oder Ihres individuellen Erlebens erarbeiten. Wenn der Leidensdruck groß genug ist, sollte jeder solche Hilfen in Anspruch nehmen. Genau dazu sind Gesprächstherapien im Rahmen von Psychotherapie da.
Was unterscheidet Gesprächstherapie, Gesprächspsychotherapie und klientenzentrierte Psychotherapie?
Es handelt sich bei diesen drei Begriffen nicht um drei unterschiedliche Verfahren, sondern um mehrere Begriffe für ein- und denselben therapeutischen Ansatz. Die Bezeichnung als Gesprächspsychotherapie ist den meisten Menschen geläufiger. Es finden sich aber auch Bezeichnungen wie personzentrierte oder non-direktive Psychotherapie.
Es war Carl C. Rogers, der die Grundlagen für die klientenzentrierte Psychotherapie Methode erstellte. Diese ist in den Bezugsrahmen der humanistischen Psychologie einzuordnen. Deren Hauptvertreter war damals Carl C. Rogers.
Der klientenzentrierte Ansatz, der Rogers für die Arbeit mit seinen Klienten entwickelte, war neu. Er beeinflusste nicht nur die therapeutischen Konzepte der damaligen Zeit, sondern fand darüber hinaus auch eine breite Anwendung in anderen Bereichen. Die klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers wurde auch im Bereich der Bildung, des Managements oder der Supervision aufgegriffen. Ob das immer so gedacht war, ist eine andere Frage.
Quellen:
- de.wikipedia.org/wiki/Klientenzentrierte_Psychotherapie
- coaching-report.de/lexikon/klientenzentrierte-psychotherapie.html
Von welchem Menschenbild geht die Gesprächstherapie nach Rogers aus?
Im Klartext beruhte Rogers Bild vom Menschen darauf, dass jeder Mensch das Potenzial besitzt, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln und zu reifen.
- Daher besitze sein Hilfe suchendes Gegenüber auch alle Kenntnisse und Erkenntnisse, um sich selbst zu helfen.
- Seine inneren Ressourcen, sich aus blockierenden Grundhaltungen oder inneren Verstrickungen zu lösen, sind ihm oft nur nicht bewusst.
- Viele Menschen sind zu involviert in ihre widerstreitenden Emotionen, um sich selbst aus ihrer Problemlage zu befreien.
- Das humanistische Menschenbild sah die psychotherapeutische Begleitung als einen Raum an, in dem die Bedingungen für eine solche Entwicklung gegeben sein müssten.
Der Ansatz der personzentrierten Psychotherapie-Richtung betonte also erstmals die Stärken des Patienten selbst. Der Therapeut wurde zum therapeutisch geschulten Helfer, statt zum gelehrten Gott in Weiß, der dem Patienten nach einer langwierigen Analyse seine Seele erklärt.
Mit der Entwicklung von Rogers therapeutischen Grundlagen wurde auch der zunächst eindeutig klingende Begriff „Person“ immer wichtiger. Eine Person ist demnach nicht ganz so eindeutig definiert, wie es scheint. Sie ist beispielsweise auf sich selbst und auf andere bezogen – und sie erfährt durch beide Instanzen Rückkopplungen. Personen sind sowohl autonome, als auch bedürftige Individuen. Schon daraus entsteht ein mögliches Konfliktfeld. In diesem agiert auch die Person des Therapeuten. Dieser muss nicht nur die Bedürfnisse, Verstrickungen und Störungen seines Gegenübers wahrnehmen, sondern auch seine eigenen erkennen. Seine eigenen Grundhaltungen sind in der Interaktion genauso relevant wie die des Patienten.
Quellen:
- vfp.de/verband/verbandszeitschrift/alle-ausgaben/19-heft-04-2003/291-zum-gegenwaertigen-stand-und-zur-zukunft-der-gespraechspsychotherapie.html
- de.wikipedia.org/wiki/Klientenzentrierte_Psychotherapie
Welche Elemente sich in der personzentrierten Gesprächspsychotherapie wichtig?
Die Gesprächstherapie nach Rogers basiert auf
- bedingungsloser Wertschätzung des Klienten
- einfühlsamem Verstehen (empathisch)
- und der Wahrhaftigkeit des Therapeuten.
Nach heutigem Standard klingt das nach selbstverständlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung psychischer Probleme. Damals jedoch stellte dieser Ansatz, der den Patienten auf eine Stufe mit dem Behandler stellte, eine Revolution dar. Wer eine Gesprächstherapie Ausbildung genossen hatte, war dadurch dem Ratsuchenden nicht mehr überlegen. Er hatte durch seine Ausbildung nur die Mittel in der Hand, diesen Menschen zu verstehen, anzunehmen und ihm helfen zu wollen.
Die klientenzentrierte Gesprächstherapie stellte den Patienten als Ratsuchenden in den Mittelpunkt, nicht die Methodik oder den Therapeuten selbst. Es handelte sich mehr um eine Art von Coaching als um eine Analyse – und dieses Coaching beruhte auf einem völlig anderen Menschenbild als dem bisher in der Psychologie oder Psychotherapie gepflegten Menschenbild.
Bedeutung und Auswirkungen
Was bedeuten die eben genannten Säulen der Gesprächstherapie nach Rogers nun? Die bedingungslose positive Wertschätzung dem ratsuchenden Patienten gegenüber zeigt sich in der Interaktion ebenso wie in der wohlwollenden therapeutischen Grundhaltung. Das, was der Patient seinem Gesprächstherapeuten anvertraut, wird – dem humanistischen Credo folgend -, von diesem ohne Vorbehalte angenommen. Der Ratsuchende wird ermutigt statt desillusioniert, kritisiert oder bewertet. Der Therapeut ist in seiner Grundhaltung solidarisch mit dem Patienten, statt sich aufgrund seiner Gesprächstherapie Ausbildung als allwissend und überlegen aufzuspielen.
Mit Einfühlsamkeit / Empathie reagiert der therapeutisch geschulte Behandler auf alles, was die Patienten ihm anvertrauen. Das bedeutet auch, dass er die Sichtweisen seiner Klienten versteht und aus ihrer eigenen Sichtweise heraus mit ihnen sprechen kann. Dabei kann die Empathie auf verschiedene Weisen eingesetzt werden. Sie durch eine zusammenfassende Wiederholung des Gesagten verdeutlichen, dass alle Inhalte korrekt angekommen sind. Der Psychotherapeut kann die geschilderten Probleme mitfühlend kommentieren oder zusammenfassend auf den Punkt bringen. Oft wird schon dadurch die Lösung der Probleme ein Stück näher gerückt.
Zur gleichen Zeit ist der Behandler jedoch erstmals aufgefordert, auch sein eigenes Erleben, seine inneren Kommentare und Bewertungen wahrzunehmen. Der Therapeut agiert nicht nur im Rahmen seines Berufsbildes, sondern immer auch als Mensch. Als dieser ist er dem Ratsuchenden gegenüber wahrhaftig und ehrlich. Im Rahmen der bisherigen Konzepte der Psychologie waren das bahnbrechende Forderungen.
Der Psychotherapeut wurde zum Coach mit einer zeitgemäßen Psychotherapie Ausbildung, deren humanistisches Selbstverständnis eine veränderte Haltung gegenüber den Patienten – und damit einen anderen Zugang zu ihnen – ermöglichte. Es ging und geht hier um einen wertschätzenden Dialog mit dem Therapeuten. Dieser Dialog ermöglicht dem Patienten eine neue Sichtweise auf sich selbst. Wichtig ist dabei auch, dass die aktuelle Lebenssituation das relevante Thema ist, nicht aber die Probleme der Vergangenheit als möglicher Verursacher durchforstet werden. Dies geschieht nur insoweit, als es für die derzeitigen Probleme relevant ist.
Quellen:
Die klientenzentrierte Gesprächstherapie in der Anwendung
Die klientenzentrierte Gesprächstherapie Ausbildung und die Ansätze der humanistischen Psychotherapie-Richtung bedeuten für die Betroffenen, dass sie ihre verschütteten individuellen Ressourcen zur Selbstheilung anzapfen konnten und sich von einem solidarisch eingestellten Gegenüber wertgeschätzt wussten. Damit standen die humanistischen Ansätze im Gegensatz zu denen der klassischen Psychoanalyse nach Freud.
In der klientenzentrierten Gesprächstherapie geht es nicht um eine gezielte Beeinflussung des Patienten, sondern um eine Atmosphäre, die dem Ratsuchenden einen von ihm selbst gesteuerten Veränderungsprozess ermöglichen soll. Dieser soll im geschützten Raum des Patient-Klient-Dialogs eine intensive Selbsterforschung vornehmen können, an deren Ende er die Ursachen und Lösung seiner Probleme, Verstrickungen und Störungen erkennt. Die klientenzentrierte Gesprächstherapie versteht sich eher als eine Art Coaching, bei der der Psychotherapeut wie ein solidarischer und mitfühlender Freund agiert.
Bis Carl Rogers diesen Ansatz prägte, waren die therapeutischen Grundhaltungen von der Überlegenheit des Behandlers und den Defiziten der Patienten ausgegangen. Die neuen Ansätze der Gesprächs-Psychotherapie haben Auswirkungen bis in die Moderne gehabt. Sie wurden mehrfach erweitert und ausgebaut. Dabei entwickelten namhafte Psychotherapeuten beider Geschlechter eigene Behandlungsansätze und Theorien. Problematisch für Ratsuchende ist, dass dieses psychotherapeutische Verfahren zwar hohe Anerkennung in Fachkreisen genießt, von den Krankenkassen aber meist nicht als erstattungsfähig angesehen wird. Gründe dafür könnten in Kritikpunkten liegen, die sich bei der Entwicklung dieser therapeutischen Richtung ergeben haben.
Therapeutische Auffassungen, die der Gesprächspsychotherapie geschadet haben
Bei manchen Vertretern dieser Richtung etablierte sich die Grundhaltung, dass eine Diagnose überflüssig sei und dem Patienten eher schade als nütze. Diese anti-diagnostische Einstellung propagierte, dass eine Etikettierung der vorliegenden Probleme beim Patienten zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden könne. Diese Haltung zeitigte absurde Folgen, in dem die Psychotherapeuten einen schizophrenen Patienten nur noch als „sogenannten Schizophrenie-Betroffenen“ benannten. Eine Unterscheidung in Kategorien wie „krank“ oder „gesund“ sei diskriminierend, hieß es. Bald standen solche Gesprächspsychotherapeuten im Ruf, wichtige Unterscheidungen zu verwässern und alle Patienten unterschiedslos gleich zu behandeln.
Als weiteres Eigentor galt die Auffassung, dass die klaren Vorgaben von Carls Rogers für ein erfolgreiches Coaching teilweise gestrichen wurden. Einige Behandler beriefen sich nur noch auf die drei Hauptforderungen oder „Basisvariablen“ nach bedingungsloser Wertschätzung, Empathie und therapeutischer Selbstkontrolle. Diese drei Basisvariablen wurden aber nun auf alle möglichen Situationen übertragen und aus dem Kontext der psychotherapeutischen Beziehung gelöst. Die damit verbundenen Vereinfachungen schadeten letztlich der gesamten Fachrichtung. Es entstanden therapeutische Gegenbewegungen und überflüssige Diskussionen, die in der Öffentlichkeit nicht positiv aufgenommen wurden. In gewissem Sinne wirkt das bis heute nach.
Quellen:
- psychologie-info.org/Therapieformen/Therapiearten/therapiearten.html
Videos zu den einzelnen Formen von Gesprächstherapien:
Siehe auch:
Psychotherapie von A-Z ♥ – Ein einführender Überblick für Patienten