Wer wissen will, wie man Kontrollzwänge überwinden kann, muss erst einmal verstehen, was ein Kontrollzwang ist. Welche Symptome und Ursachen vorliegen, und wie es um die Diagnostik von Zwangsstörungen steht. All das will dieser Artikel beleuchten.
Zwei kleine Geschichten sollen illustrieren, wo der Unterschied zwischen einer vergessenen Handlung und einer Zwangshandlung liegt. Wenn Familie X einen Ausflug mit dem Auto unternimmt, ist es ein viel belachtes Ritual, dass Frau X nach einigen Kilometern grundsätzlich nicht mehr weiß, ob sie den Herd ausgemacht hat oder nicht. Sie kann sich erinnern, dass sie die Tür abschließen wollte – aber hat sie es tatsächlich getan? Herr X hat sich daher angewöhnt, beim Verlassen des Hauses sicherzustellen, dass beides es so ist. In der Regel stellen Hausfrauen den Herd automatisch ab. Sie vergessen auch nicht, dass sie die Tür abschließen wollten. Diese alltäglichen Handlungen werden lediglich im Kurzzeitgedächtnis gespeichert, und dann als vollzogen abgehakt. Das ist normal. Die Konzentration ist meist bei anderen Dingen gewesen, die wichtiger waren. Normal ist auch, wenn die Hausfrau das dräuende Gefühl nicht loswird, sie habe den Küchenherd tatsächlich angelassen. In diesem Fall ist es besser, sicherheitshalber umzukehren.
Frau Z. hingegen leidet unter krankhaftem Kontrollzwang: Sie macht aus lauter Angst, das Ausmachen des Küchenherdes einmal zu vergessen, den Herd kaum noch an. Hat sie doch einmal gekocht, kontrolliert sie unzählige Male, ob der Herd anschließend auch aus ist. Selbst, wenn sie es eigentlich weiß, und obwohl sie es bereits x-mal kontrolliert hat, kann sie nicht gegen den inneren Zwang angehen, es nochmals zu tun. Diese Handlung ist nur beim ersten Mal sinnvoll. Bei den weiteren Kontrollen ist diese Handlung aber zwanghaft. Sie erzeugt auf Dauer Leidensdruck, und sie schränkt die gedankliche Freiheit der Betroffenen ein. Diese können an nichts anderes mehr denken, als an den Küchenherd. Hierbei handelt es sich um sogenannte Kontrollzwänge oder zwanghafte Persönlichkeitsstörungen. Zwanghafte Menschen würden nicht einfach die Haustür abschließen und spazieren gehen. Sie würden schon eine Minute später kontrollieren, ob die Türe tatsächlich zu ist. Und eine Minute später erneut, obwohl sie zuvor laut festgestellt hatten, dass die Türe tatsächlich verschlossen war.
Quellen:
- de.wikipedia.org/wiki/Zwanghafte_Persönlichkeitsstörung
- de.m.wikipedia.org/wiki/Zwangsstörung
- youtube.com/watch?v=m6h7m6dhqXs
Video: Was ist ein Kontrollzwang?
Was definiert solche Kontrollzwänge?
Kontrollzwänge entstehen meist aus der Angst heraus, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Die Menschen fürchten, dadurch einen Schaden für andere zu verursachen. Bei einem ausgeprägten Kontrollzwang sind die Menschen dermaßen auf ihre Zwangshandlungen fixiert, dass sie kaum noch das Haus verlassen können. Der Küchenherd, der Wasserhahn oder die Haustüre werden wieder und wieder kontrolliert. Es wirkt fast wie ein groteskes Ritual, ist aber inneren Zwangsgedanken geschuldet. Menschen, die an einem Kontrollzwang leiden, befassen sich fast durchweg mit ihren Zwangshandlungen. Die Angst vor einer vergessenen Handlung, und einem eventuell daraus resultierendem Schaden, ist übermächtig. Die zugrunde liegenden Ängste kehren unmittelbar nach Ausführen der zwanghaften Handlung zurück. Sie erfordern eine neuerliche Zwangshandlung, obwohl die alte keineswegs vergessen ist.
Die Kontrolle banaler und alltäglicher Handlungen, wie das Licht auszumachen, die Türe abzuschließen oder den Wasserhahn zuzudrehen, erfolgt bei extrem zwanghaften Menschen an einem Tag bis zu Hunderte von Malen. Der Kontrollzwang bestimmt nach und nach das halbe Leben. Er gehört damit zu den häufigsten Zwangsstörungen, die früher oder später einer Psychotherapie (Psychotherapie: Was ist das?) zugeführt werden. Die ständig wiederholten Handlungen, und die Angst dahinter, lähmen die Betroffenen zunehmend.
Die Symptome sind oft so belastend, dass die unter ihnen leidenden Menschen sie gerne wieder loswerden möchten. Dafür müssten sie aber die eigentliche Ursache ihrer Zwangshandlungen ermitteln und überwinden. Das aber ist genau das, was sie mit den etablierten Zwängen umgehen möchten. Daher wird oft wertvolle zeit verschwendet. Fakt ist, dass Kontrollsucht und andere Zwangserkrankungen sich besser behandeln lassen, wenn die Therapie früh einsetzt. Der Umgang mit Zwangshandlungen (siehe unseren Artikel zur Diagnose F42.1) erlaubt aber oft keine frühen Therapiebeginn. Zum einen gibt es lange Wartezeiten bei Psychologen und Psychotherapeuten. Zum anderen werden diese Handlungen erst belächelt, dann als vermeintliche „Macken“ hingenommen, und in ihrem Krankheitswert nicht erkannt.
Quellen:
- netdoktor.de/krankheiten/zwangsstoerung/kontrollzwang/
- apotheken.de/krankheiten/4667-zwangsstoerungen
- apotheken-umschau.de/Psyche/Zwangsstoerungen-Symptome-57724_2.html
- youtube.com/watch?v=9-TcfoHnFxI
Video: Zwangsstörung, Kontrollzwang, Zwangsgedanken
Kontrollzwang & Co – Warum kommt es zu solchen Zwangsstörungen?
Wie so oft, entsteht ein Kontrollzwang nicht einfach aus heiterem Himmel. Er wird vermutlich multikausal verursacht. Genaueres muss von der Wissenschaft noch erforscht werden. Klar ist bisher nur: Mehrere Ursachen wirken mit daran, dass es zu Zwangshandlungen und einem Kontrollzwang kommt. Genetische Prädispositionen, Veränderungen bei bestimmten Botenstoffen im Gehirn, oder Störungen bei bestimmten Gehirnfunktionen können genauso dazu gehören, wie umweltbedingte Faktoren oder emotionelle Verarbeitungsdefizite.
Bei Kindern mit Zwangsstörungen kommen oft auch erzieherische oder familiäre Probleme dazu. Außerdem können eine ängstliche Persönlichkeit (vgl. selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung, ängstliche Persönlichkeitsstörung) und unverarbeitete Traumata (vgl. Trauma / Wege der Traumabehandlung) dazu führen, dass Kontrollzwänge oder andere Zwangsstörungen entstehen. Viele Zwangsstörungen wirken auf die Beobachter eher kurios. Sie sind aber für die Betroffenen auf Dauer sehr belastend. Zwangsstörungen treten in Deutschland relativ häufig auf. Sie gehören damit zu den psychischen Erkrankungen, an denen relativ viele ängstliche Menschen im Laufe ihres Lebens leiden.
Eine wichtige Rolle beim Thema Zwangshandlungen spielen die Emotionen der zwangsgestörten Menschen. Diese Menschen sind nicht in der Lage, mit ihren Ängsten und Befürchtungen, mit Konflikten oder Aggressionen adäquat umzugehen. Solche Gefühle sind für sie unerträglich. Eine Zwangshandlung kann daher als Ventil gedeutet werden, sich den unangenehmen Ängsten nicht mehr stellen zu müssen. Es findet keine echte Auseinandersetzung statt. Die Kontrollzwänge stellen in diesem Sinne eine Übersprungshandlung dar. Diese stellt für die Erkrankten eine Art Zuflucht dar, mit der die betroffenen Menschen eine für sie unerträgliche Situation aufzulösen versuchen. Die kontrollierende Handlung ist an sich sinnvoll. Sie stellt somit durchaus eine korrekte Strategie dar, wenn sie lediglich einmal ausgeführt wird. Wird sie aber wieder und wieder ohne einen Sinn ausgeführt, beruht die Handlung auf Zwangsgedanken. Der Betroffene kann diese nicht selbst besiegen. Er bedarf der Hilfe der Psychologie, um aus der Endlosschleife der Zwangsgedanken wieder herauszufinden.
Zu den Ursachen solcher emotionellen Störungen können durchaus auch zwischenmenschliche Konflikte – etwa Beziehungskrisen, Eifersucht, Konflikte in der Herkunftsfamilie oder Probleme am Arbeitspatz – gehören. Die Zwangssymptomatik bei Kontrollzwang & Co. dient der Entlastung und der innerpsychischen Stressregulation. Zwangshandlungen und Zwangsgedanken mindern auf der einen Seite emotionellen Druck. Sie erzeugen aber auf der anderen Seite einen neuen Stressor. Andererseits reagiert die Mitwelt vielleicht auf die Menschen mit solchen Zwangsstörungen mit mehr Rücksicht und Verständnis. Daher können die von Zwängen heimgesuchten Menschen durch ihre Zwangshandlungen durchaus einen Nutzen erfahren. Nicht selten führt der Nutzeffekt sogar dazu, dass die Zwangsstörung niemals einem Psychologen vorgestellt wird. Manche Menschen wollen ihren inneren Impuls zu sinnlosen Handlungen gar nicht besiegen. Sie möchten auch dessen tiefere Ursachen nicht hinterfragen. Sie fürchten, dass dann neben eigenen Defiziten auch ihre Unfähigkeit thematisiert wird, Ängsten und anderen konfliktbeladenen Emotionen auf eine gute Weise zu begegnen. Dafür belasten sie oft eine Beziehung, zum Beispiel durch zwanghafte Eifersucht oder die Unfähigkeit, konfliktbeladene Emotionen zuzulassen.
Quellen:
- netdoktor.de/krankheiten/zwangsstoerung/kontrollzwang/
- rtv.de/gesundheit/kontrollzwang
- youtube.com/watch?v=yhze1VfTKns
Wie werden Kontrollzwänge behandelt?
Kontrollzwänge und andere Zwangsstörungen haben meist mehr als eine Ursache. Anhaltende Zwangsgedanken und daraus resultierende Handlungen lediglich mittels Maßnahmen zur Selbsthilfe selbst besiegen zu wollen, ist so gut wie unmöglich. Möglicherweise erzeugt der Betroffene damit lediglich einen neuen Zwang – nämlich seine Zwangsgedanken zwanghaft kontrollieren und loswerden zu wollen.
Zwangsgedanken und -handlungen belasten auf Dauer jede Beziehung. Angst und Eifersucht sind keine guten Fundamente, um eine reife und glückliche Beziehung zu führen. Kontrollzwänge bedürfen der fachkundigen Behandlung im Rahmen der Psychologie. Die Therapie macht jedoch nur Sinn, wenn die zwangsgestörten Menschen tatsächlich ihre Zwangsstörungen überwinden wollen. Ihre aktive Teilnahme bei der Behandlung ist erforderlich. Die Konfrontation mit dem eigenen Vermeidungsverhalten ist unausweichlich.
Der Umgang mit Betroffenen ist für ihr Umfeld alles andere als einfach. Bei Kindern wirken Zwangshandlungen besonders verstörend. Das irrationale Verhalten ihres Nachwuchses belastet die Eltern oft schwer. Auch hier kann die Psychologie hilfreich sein. Mit einer Psychotherapie oder einer Verhaltenstherapie sind auch Kinder gut zu behandeln (vgl. Verhaltenstherapie Formen und Verhaltenstherapie bei Kindern). Gegebenenfalls können begleitend Medikamente gegen die allgegenwärtige Angst verordnet werden. Den erkrankten Kindern oder Erwachsenen müssen ihre Vermeidungsstrategien gegenüber unangenehmen Gefühlen verdeutlicht werden. Diese manifestieren sich als Kontrollzwänge, statt bewusst wahrgenommen und durch vernünftige Maßnahmen beantwortet zu werden. Zwangsgedanken lassen sich vielleicht nicht vollständig heilen. Aber die daraus resultierenden Handlungen und Zwänge können zurückgeschraubt werden. Wenn die Menschen mit Zwangsstörungen den inneren Zwang zu sinnlosen Handlungen besiegen können, ist der erste Schritt dazu getan, die kranke Seele zu heilen.
Im zweiten Schritt ist es dann oft möglich, die weiteren Symptome der Störung zu überwinden. Ergänzende Selbsthilfe kann in Form einer Teilnahme an Selbsthilfegruppen sinnvoll sein. Eine langfristige Psychotherapie ist aber notwendig. Die Symptome sind nicht von heute auf morgen entstanden. Sie beruhen oft auf tiefer liegenden Konflikten und seelischen Problemen, die erst behutsam ausgegraben werden müssen. Die zwanghaften Menschen lernen zunächst, wie Zwänge entstehen, was sie bedeuten und wie die Psychologie sie heilen kann. Die dahinter liegende Angst wird beleuchtet. Die Übersprungshandlung, die die Angst oder die Eifersucht besiegen soll, wird in ihrer Funktion als Vermeidungsstrategie erläutert. Im dritten Schritt einer Psychotherapie werden die Zwänge selbst in den Fokus genommen. Ihre Ursache ist nun klar. Jetzt geht es darum, die damit verbundenen Handlungen zu überwinden, und eine emotionell reifere Lösung an ihre Stelle zu setzen.
Der Therapeut gibt Tipps, wie die Menschen ihre Zwänge wieder loswerden können. Viele zwangsgestörten Menschen profitieren vom Umgang mit Betroffenen, denen es ebenso ergangen ist. Diese haben als Leidensgenossen und Außenstehende ein anderes Verständnis von der Symptomatik von Zwängen, als beispielsweise das eigene Umfeld, das die Konflikte möglicherweise erst ausgelöst hat. Leidensgenossen, die sich Hilfe zur Selbsthilfe suchen, haben bessere Chancen, ihre Krankheit erfolgreich zu behandeln. Die Tipps und Ratschläge anderer Zwangsgestörter sind oft wertvoll. Wenn zusätzlich zu den Zwängen Panikattacken oder andere begleitende Symptome vorliegen, können gegebenenfalls Medikamente gegen diese Symptome verordnet werden. Es geht darum, den erkrankten Menschen möglichst schnell eine bessere Lebensqualität zu sichern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, die langen Wartezeiten bis zu einer Psychotherapie zu überbrücken.
Hilfe zur Selbsthilfe kann hier eine gute Brücke sein, mit der die leidenden Menschen stabilisiert werden können. Als alleinige Strategie genügt Hilfe zur Selbsthilfe aber meistens nicht. Die Zwangsgedanken und -handlungen sind meistens schon so verfestigt, dass sie nicht mehr alleine durchbrochen werden können. Je mehr sich die Menschen in ihre Vermeidungsstrategien flüchten, um sich ihren Ängsten und Konflikten nicht stellen zu müssen, desto schlimmer wird es. Ohne ein tieferes Verständnis der gewählten Strategien können die Menschen nicht erkennen, wo die wahre Lösung ihrer Probleme liegt: in ihnen selbst. Sie müssen wissen: wie entstehen Ängste (siehe auch: Wodurch entstehen Angststörungen), wie entstehen daraus Zwänge – und wie können sie diese wieder überwinden. Oftmals wird die Psychotherapie durch Medikamente gegen die prominentesten Symptome begleitet. Ob es sich dabei um pflanzliche Beruhigungsmittel oder Psychopharmaka handelt, ist unterschiedlich.
Die effektivste, aber auch herausforderndste Therapie gegen Kontrollzwänge ist die Kognitive Verhaltenstherapie. Durch Konfrontationsübungen lernen die kranken Menschen, dass sie Ängste und Konflikte aushalten, und auf andere Weise bewältigen können. Menschen mit Kontrollzwang bekommen beispielsweise die Aufgabe, das Haus zu verlassen, ohne dreißig Mal die Türe oder den Kochherd zu überprüfen. Die Kontrollmaßnahmen sollen durch solche Aufgaben nach und nach auf ein gesundes Maß zurückgefahren werden. Die kontrollsüchtigen Menschen sollen lernen, sich selbst wieder zu vertrauen. Ihre überbordenden Ängste und Selbstzweifel sollen verkleinert werden. Auch ihre Beziehungen sollen von der ausgeuferten Kontrollsucht befreit werden. Eifersucht ist nichts anderes als dramatisiertes Besitzdenken, gepaart mit der Angst vor Verlust.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Kontrollzwänge sich umso schwerer heilen lassen, je länger sie bestehen. Je schneller Menschen mit einer Zwangsstörung sich in eine Therapie begeben, desto schneller und besser kann ihnen geholfen werden. Manche Patienten mit Zwängen haben durch eine Hypnotherapie aus ihrem Zwangskreislauf herausfinden können. Andere haben sich trotz aller Vorbehalte einer Verhaltenstherapie gestellt. Viele konnten dadurch ihre Ängste bewältigen.
Quellen:
- zwaenge.de
- therapie.de/psyche/info/index/diagnose/zwang/therapie/
- hypnose-kiel.de
- apotheken.de/krankheiten/4667-zwangsstoerungen