L-Tryptophan: Rolle und Wirkung im Kontext psychischer Erkrankungen (© Zerbor / Fotolia)

Tryptophan / L-Tryptophan | Rolle und Wirkung u.a. im Kontext von psychischen Erkrankungen

Bei L-Tryptophan handelt es sich um eine essentielle Aminosäure, die vom menschlichen Körper nicht selbst synthetisiert werden kann. Die Verbindung liegt als Stereoisomer vor, ihr Enantiomer ist D-Tryptophan. Medizinisch genutzt wird zurzeit ausschließlich L Tryptophan, das auch als „W“ oder „Trp“ abgekürzt wird. Die Aminosäure wird sowohl mit der normalen Ernährung aufgenommen als auch pharmazeutisch verwendet, in erster Linie, um Schlafstörungen und Depressionen zu behandeln. Ihr Einsatz ist nicht unumstritten, da es in der Vergangenheit zu Todesfällen gekommen ist.

Was ist Tryptophan?

Die Bezeichnung L-Tryptophan bezieht sich auf die zweidimensionale Projektion nach Fischer, die genutzt wird, um Stereoisomere darzustellen. Neben dieser Form existiert auch das spiegelbildliche D-Tryptophan sowie Mischungen (Racemat) zwischen beiden – sie sind für den menschlichen Organismus jedoch bislang wenig bedeutsam. Aktuelle Forschungen weisen allerdings daraufhin, dass D-Tryptophan eine wichtige Rolle für Bakterien spielt. Dabei zeigt es Eigenschaften, die möglicherweise interessante Effekte in der Allergiebekämpfung haben könnten. L-Tryptophan gehört zu den α-Aminosäuren, was bedeutet, dass die Aminogruppe am Cα-Atom in direkter Nachbarschaft zur endständigen, also letzten Carboxygruppe liegt. Zu den proteinogenen Aminosäuren zählt sie deshalb, weil sie für einzelne Bausteine von Proteinen codiert. Das Molekül ist ein lipophiler Aromat mit einem Indolring.

Tryptophan Wirkung im Körper

Im menschlichen Körper wird Tryptophan zur Synthese sowohl verschiedener Peptide als auch Proteine benötigt. Die Aminosäure ist beispielsweise Teil des Cholesterin-Transportsystems und in verschiedenen Enzymen enthalten, ebenso in Muskelzellen. Es stellt die Vorstufe (Provitamin) für Vitamin B3 dar. Aufgrund einer speziellen Funktion des Immunsystems schränkt der Körper die Verfügbarkeit von Tryptophan für Zellen ein, die er als infiziert oder – im Fall von Krebs – wuchernd wahrnimmt. Dies soll das Wachstum der betroffenen Zellen einschränken und so die Überlebenschancen des Organismus verbessern. In diesen Fällen werden unter Umständen verminderte Tryptophantiter im Blut eines Patienten festgestellt.

Des Weiteren ist es unverzichtbarer Bestandteil in der Enzymsynthese, beispielsweise von Melatonin und Serotonin. Aus diesem Grund wirkt sich ein Mangel oder eine Verarbeitungsstörung von Tryptophan auch auf die zugehörigen Enzymaktivitäten aus, weshalb sich Stimmung und Schlafqualität verändern können. Umgekehrt wird ein positiver Effekt auf ebendiese Funktionen angenommen, wenn zusätzliches L-Tryptophan supplementiert wird.
Wie genau die Tryptophan Wirkung im Körper aussieht, kann ein Video veranschaulichen:

https://www.youtube.com/watch?v=72zUXBn2PCs

Vorkommen in der Nahrung und Bedarf

Tryptophan ist, als Bestandteil von Peptiden und Proteinen, vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Eiern und Milch zu finden. Allerdings gibt es auch pflanzliche Produkte, die Proteine und damit auch Tryptophan enthalten. Beispiele sind viele Nüsse, aber auch einige Getreidesorten sowie Reis und Mais, ebenso Kakao.

Da der Stoff relativ hitzebeständig ist, geht durch die Zubereitung normalerweise nur ein geringer Anteil der Aminosäure verloren. Eine beispielhafte Liste tryptophanhaltiger Lebensmittel in absteigender Reihenfolge, berechnet nach Milligramm je 100g:

  • Sojabohnen (590)
  • Kakaopulver (293)
  • Hähnchenbrustfilet (267)
  • Lachs (209)
  • Walnüsse (170)
  • Hühnerei (167)
  • Maismehl (49)
  • Kuhmilch (46)

Der Bedarf an Tryptophan ist nach wie vor weitgehend ungeklärt. Aus diesem Grund sind führende ernährungswissenschaftliche Institute wie die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) mit dahingehenden Empfehlungen zurückhaltend. Eine grobe Einschätzung spricht von ca. 3,6 bis 6 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Es ist davon auszugehen, dass der Tryptophanbedarf einer Person individuell unterschiedlich ist. Dazu existieren verschiedene Faktoren, die den Bedarf situationsbedingt erhöhen können. Zu ihnen gehören aller Wahrscheinlichkeit nach Stress, Diabetes, Schwangerschaft, Stillen sowie möglicherweise Verletzungen und Erkrankungen. Grundsätzlich scheint der Bedarf in Fällen höher zu sein, in denen es vermehrt zu Zellzerstörung oder Neuentwicklung kommt. Zudem existieren genetische Effekte, die zu einer mangelnden Aufnahme von Tryptophan führen.

L-Tryptophan Infografik | Positive Tryptophan Wirkung bzw. vermutete Effekte; Vorkommen in Lebensmitteln (© nipadahong / Fotolia)
L-Tryptophan Infografik | Positive Tryptophan Wirkung bzw. vermutete Effekte; Vorkommen in Lebensmitteln (© nipadahong / Fotolia)

In Entwicklungsländern kann teilweise ein Tryptophanmangel aufgrund sehr einseitiger, eiweißarmer Kost beobachtet werden. Bei gesunden Menschen in Europa mit durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten ist ein Tryptophanmangel bislang nicht bekannt. Nichtsdestotrotz werden, insbesondere in der Bodybuilderszene und vonseiten verschiedener Nahrungsergänzungsmittelhersteller, gelegentlich pressewirksam anderslautende Informationen verbreitet.

Sollten Betroffene trotzdem den Eindruck haben, unter Mangelerscheinungen zu leiden, können sie ihren Tryptophanspiegel im Rahmen einer Blutuntersuchung kontrollieren lassen. Demzufolge sollte eine Supplementierung ebenfalls ausschließlich aufgrund ärztlich festgestellter Tryptophanunterversorgung erfolgen oder sich auf eine vorhandene Erkrankung beziehen.

Tryptophan Wirkung bei Depressionen und Schlafstörungen

Schlafstörungen werden mit einem mangelnden Melatoninspiegel in Verbindung gebracht und treten speziell bei Menschen auf, die aufgrund äußerer Umstände wie Schichtarbeit Mühe haben, einen gleichmäßigen Schlafrhythmus aufrecht zu erhalten. Daher erscheint es sinnvoll, in diesen Fällen die Melatoninausschüttung zu verbessern, um einen erholsameren Schlaf zu erreichen.

Ähnliches wird bei Depressionen vermutet: Ältere Forschungsergebnisse schreiben den Ausbruch einer Depression häufig einem zu niedrigen Serotoninspiegel zu. Medikamentöse Behandlungen zielen daher zumeist darauf ab, den Serotoninspiegel zu erhöhen, entweder indem die Bildung erhöht oder indem der Abbau des Hormons gehemmt wird. Erfahrungen besagen, dass bei Depressionen oftmals zusätzlich Störungen des Schlafs auftreten. Im Falle einer zusätzlichen Einnahme von Tryptophan soll die Bildung von Melatonin und Serotonin angeregt werden, indem mehr eines der Bausteine zur Verfügung gestellt wird.

Die Datenlage ist jedoch als schwierig anzusehen, zum einen, weil die zur Verfügung stehenden Studien häufig nur sehr geringe Teilnehmerzahlen aufweisen. Zum anderen, weil der direkte Zusammenhang zwischen Serotoninspiegel und Stimmung mittlerweile ernsthaft in Zweifel gezogen werden darf. Nicht zuletzt führt eine Zunahme an Ausgangsstoffen eines Hormons nicht auch zwingend zu einer Erhöhung der Produktion, da der Körper über verschiedene Regulationsmechanismen verfügt, um die Hormonmenge zu kontrollieren.

Individuelle Erfahrungsberichte beschreiben in einigen Fällen eine Wirksamkeit von L-Tryptophan gegen Depressionen oder Schlafstörungen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass diese nicht systematisch erhoben oder überprüft werden können, sodass es unmöglich ist, die einzelnen Berichte bzw. Erfahrungen vom stets zusätzlich auftretenden Plazeboeffekt zu trennen.

Dosierung und Einnahme

Zurzeit ist ein rezeptfreies, jedoch apothekenpflichtiges Tryptophanpräparat von Ratiopharm erhältlich, das 500 mg L-Tryptophan in Tablettenform beinhaltet. Weitere Präparate sind als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen. Von einer Behandlung auf eigene Faust ist jedoch eher abzuraten, da zunächst mögliche Risikofaktoren ausgeschlossen und der tatsächlich zu erwartende Nutzen besprochen werden sollte.

Wird das Mittel verordnet, besteht die Tagesdosis gewöhnlich in je 500 mg morgens und abends, bei Bedarf kann die Einnahme auf je 1000 mg morgens und abends erhöht werden.

Die Website sanego.de informiert über potentielle Tryptophan Nebenwirkungen, Anwendungsgebiete sowie Erfahrungen bzw. Bewertungen von Patienten, die entsprechende Präparate eingenommen haben (https://www.sanego.de/Medikamente/L-Tryptophan/)
Die Website sanego.de informiert über potentielle Tryptophan Nebenwirkungen, Anwendungsgebiete sowie Erfahrungen bzw. Bewertungen von Patienten, die entsprechende Präparate eingenommen haben

Tryptophan Nebenwirkungen und Kontraindikationen

  • Tryptophanpräparate dürfen grundsätzlich nicht eingenommen werden, wenn eine Leberfunktionsstörung, gleich welcher Ursache, vorliegt, da die Substanz über die Leber abgebaut wird.
  • Gleiches gilt für Funktionsstörungen und Schäden der Nieren wie Niereninsuffizienz.
  • Auch Überempfindlichkeiten und Herzschäden zählen zu den Kontraindikationen.
  • Behandlungen mit MAO-Hemmern (Monoaminooxidase Hemmer) und allen weiteren Medikamenten, die zu einer Steigerung der Serotoninverfügbarkeit oder mangelnden -abbaubarkeit führen – beispielsweise alle Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRIs) – stellen ebenfalls einen Ausschlussgrund dar. In der Kombination kann das unter Umständen lebensbedrohliche Serotoninsyndrom durch einen Serotoninüberschuss entstehen.
  • Zudem dürfen keine Antiepileptika, bestimmte Parkinsonmedikamente, Lithium, Benzodiazepine, Phenotiazine oder trizyklische Antidepressiva gleichzeitig eingesetzt werden.

Generell sind Tryptophanpräparate nicht für den Gebrauch durch Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende geeignet, da hier keine belastbaren Daten vorliegen (siehe Antidepressiva & Schwangerschaft). Blutdruckpatienten sollten ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren und Veränderungen mit einem Arzt besprechen, da ein Einfluss auf die Blutdruckwerte möglich ist.

Zu den gängigsten Tryptophan Nebenwirkungen zählen

  • Kopfschmerzen,
  • Lichtempfindlichkeit,
  • Schwindelgefühle,
  • Müdigkeit und ein
  • Blutdruckabfall.
  • Von einigen Anwendern wurden auch Gelenkschmerzen beschrieben.

Insgesamt weist das Präparat jedoch ein eher günstiges Nebenwirkungsprofil auf. Eine physische Abhängigkeit oder Absetzerscheinungen sind nach bisherigen Erfahrungen nicht zu befürchten.

L-Tryptophan | Kontroverse

Nachdem Tryptophan lange als unproblematisch galt, was mögliche Nebenwirkungen betrifft, wurden Ende der Achtzigerjahre gravierende Erkrankungsfälle registriert. Bei mehr als 1500 Patienten wurde das sogenannte Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS) beobachtet, bei mehr als 2% mit tödlichem Ausgang. Bei Eosinophilen handelt es sich um eine Form der Leukozyten (weiße Blutkörperchen). Eine Myalgie beschreibt teils schwere Muskelschmerzen unterschiedlicher Ursache. Im Labor ist ein außergewöhnlich hoher Wert an Eosinophilen (auch: Leukozytose) auffällig. Das Syndrom verursacht neurologische Symptome und gilt als unheilbar, anfangs äußert es sich zunächst oft mit grippeähnlicher Symptomatik.

Wer sich mit Produkten rund um L Tryptophan, 5-HTP (Hydroxytryptophan) u.a. beschäftigt, sollte sich auch mit Wechsel- und Nebenwirkungen auskennen (© Zerbor / Fotolia)
Wer sich mit Produkten rund um L Tryptophan, 5-HTP (Hydroxytryptophan) u.a. beschäftigt, sollte sich auch mit Wechsel- und Nebenwirkungen auskennen (© Zerbor / Fotolia)

Nachdem die Verbindung zur Einnahme von Tryptophan festgestellt wurde, wurden die Präparate auf Verunreinigungen untersucht. Dabei wurden insgesamt 60 fremde Substanzen in dem zu diesem Zeitpunkt meistgenutzten Präparat eines japanischen Unternehmens entdeckt, von denen sechs als mögliche Verursacher galten. Aufgrund dessen wurden Tryptophanpräparate zunächst vollständig vom Markt genommen. 1996 wurde Tryptophan durch ein Gerichtsurteil wieder zugelassen, nachdem ein pharmazeutisches Unternehmen Klage eingereicht hatte. Die Argumentation vor Gericht bezog sich darauf, dass es ausschließlich aufgrund der Verunreinigungen zu den Todesfällen kam. Einer medizinischen Nutzung der reinen Substanz stünde daher nichts entgegen. Tatsächlich wurden jedoch auch einzelne Fälle beschrieben, in denen das Präparat anderer Firmen genutzt wurde. Bei mindestens einem Patienten wurde ein Auftreten des Syndroms nach Einnahme des Präparats unter Ausschluss von Verunreinigungen nachgewiesen. Zudem wurde ein weiterer Fall beschrieben, bei dem EMS durch Überkonsum von Cashewnüssen hervorgerufen wurde, die von Natur aus sehr tryptophanhaltig sind. Bei der Frage, ob eine Person an EMS erkrankt oder nicht, scheinen veranlagungsbedingte Faktoren eine wichtige Rolle zu spielen.

L Tryptophan Wirkung und Nebenwirkungen > Quellen und weiterführende Ressourcen

  • apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/L-Tryptophan-ratiopharm-500-mg-4623092.html
  • arznei-telegramm.de/html/1996_10/9610093_02.html
  • chemie.de/lexikon/Tryptophan.html
  • degruyter.com/view/j/med.2014.9.issue-6/s11536-013-0339-2/s11536-013-0339-2.xml
  • der-arzneimittelbrief.de/Jahrgang2000/Ausgabe03Seite23c.htm
  • enzyklopaedie-dermatologie.de/dermatologie/eosinophiles-myalgie-syndrom-1175
  • flexikon.doccheck.com/de/Trypto
  • helmholtz-muenchen.de/aktuelles/uebersicht/pressemitteilungnews/article/36580/index.html
  • pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Trypto
  • pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=29053
  • praxis-kellner.info/studie_insumood.htm
  • psychic.de/forum/medikamente-angst-panikattacken-f76/l-tryptophan-gegen-psychische-probleme-t65443.html
  • ratiopharm.de/produkte/praeparate-details/praeparate/praeparatedaten/detail/pzn-4623092.html
  • wikipedia.org/wiki/Eosinophiler_Granulozyt
  • wikipedia.org/wiki/Eosinophilia–myalgia_syndrome

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