Metakognitionen sind übergeordnete geistige Strukturen. Sie sorgen dafür, wie wir unser Wissen anwenden, Entscheidungen treffen und in bestimmten Situationen agieren. Bei den meisten Menschen läuft ein Großteil dieser mentalen Prozesse unbewusst ab. In der Psychologie / Psychotherapie werden mit der metakognitiven Therapie (MCT) hervorragende Ergebnisse bei Angststörungen aller Art erzielt.
Was sind Kognition und Metakognition überhaupt?
Der Duden definiert Kognition als
Gesamtheit aller Prozesse, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen
Etwas genauer betrachtet ist Kognition ein komplexes System der menschlichen Informationsverarbeitung und Lernfähigkeit.
Manche kognitive Strukturen sind bei allen Menschen gleich, andere individuell verschieden. Beispiele für Kognitionen sind
- die Verarbeitung von Sinneswahrnehmung
- das Denkvermögen und die Aufmerksamkeit
- die Reizverarbeitungswege des Gehirns
- das Erinnerungs- und Lernvermögen
- die räumliche Orientierung.
Das Zusammenspiel dieser Wahrnehmungsebenen macht einen großen Teil der Persönlichkeit eines Menschen aus. Die Art und Weise, wie er mit der Außenwelt in Verbindung tritt und Informationen oder Emotionen austauscht, hängen von kognitiven Prozessen ab.
Im Bereich des übergeordneten Denkens und der Selbstregulation geht die Kognition in die Metakognition über. „Meta“ ist eine griechische Silbe für „über“. Übergeordnete geistige Fähigkeiten dienen dem Menschen zur Kontrolle und Anwendung der untergeordneten kognitiven Prozesse. Sie stehen in enger Verbindung mit der Psyche, dem sozialen Erfolg und der Zufriedenheit eines Menschen.
Beispiele für Metakognitionen sind:
- die Selbstbeobachtung
- die Selbstreflexion
- das Denken über das eigene Denken
- das Wissen über das eigene Wissen
- die Entscheidungsfindung und -fähigkeit
- die höhere geistige Erkenntnisfähigkeit (Werte, Wünsche und Meinungen)
- der Abgleich parallel ablaufender kognitiver Vorgänge
- das Planen und Überwachen komplexer Aktionen.
Metakognitive Prozesse sollen den Geist des Menschen unterstützen und fördern. Allerdings können sich auch Metakognitionen einschleichen, die Leistungen unbewusst manipulieren. In der Psychologie wird mit einer Bewusstwerdung dieser schadhaften geistigen Prozesse gearbeitet.
Beispiele für negative Metakognitionen sind:
- manipulative Glaubensstrukturen, die Angst und Denken überbewerten
- geistige „Stimmen“, die sich mit Sätzen wie „Das schaffst du nie!“ oder „Du wirst eh wieder versagen!“ zu Wort melden
- unbewusste Fokussierungen auf nicht förderliche Informationen und Umfelder
- Überzeugungen über den Nutzen schadhafter Strategien
- Störungen durch sich widersprechende Metakognitionen.
Das Auffinden von Denk- und Wahrnehmungsfehlern in der Metakognition liefert der Psychologie einen praktischen Zugang zur Psyche und unbewussten Persönlichkeitsanteilen. Ganz anders als in der analytischen Psychotherapie beschäftigt sich die metakognitive Therapie nicht besonders intensiv mit vergangenen Erlebnisse, sondern mit den gegenwärtig vorhandenen geistigen Strukturen des Klienten.
Die Grundlagen der metakognitiven Therapie (MCT)
Entwickelt wurde die Therapie von John H. Flavell, einem Professor für Psychologie an der Stanford-Universität. Er und ein Kollege von der University of Michigan widmeten sich in besonderer Weise der Ausbildung kognitiver Prozesse bei Kindern.
Im Vordergrund der Arbeiten standen zunächst die Unterschiede zwischen dem Anschein einer Sache oder eines Erlebnisses und der Realität. Je realer ein Kind Situationen und sich selbst einschätzen konnte, umso besser war der spätere Umgang mit Problemen und Lernaufgaben.
Wie sich Kognition und Metakognition entwickeln, hängt von diesen Faktoren ab:
- dem sozialen Umfeld
- der Erziehung
- der (Art der) Wissensvermittlung in der Schule
- dem Umgang mit Medienkonsum
- von persönlichen Prägungen und Vorlieben.
Durch häufige Wiederholung und besonders beeindruckende Ereignisse bilden sich feste geistige Strukturen („Datenautobahnen“) im Gehirn. Im Grunde sollen diese routinierten geistige Prozesse das Lernen, Leben und Entscheidungen vereinfachen. Ab einem Alter von ca. 30 Jahren schaltet das Gehirn immer öfter auf den Autopiloten und bildet ohne gezielte Stimulation immer weniger neue Schaltkreise aus.
Kam es durch Traumata oder andauernde „falsche“ Informationen zu Fehlern im System, können diese Vernetzungen langfristig zur Ausbildung von diversen psychischen Störungen, sozialen Problemen und ernsthaften Angststörungen führen.
- nagende Selbstzweifel
- Versagensängste
- Autophobie (Angst alleine zu sein)
- Logophobie (Angst vor anderen Menschen zu sprechen)
- dissoziative Wahrnehmungsstörungen (Denkverzerrungen, vgl. auch dissoziative Amnesie)
- Schizophrenie und andere Formen der Persönlichkeitsspaltung
- Angst betrogen zu werden
- Beziehungsängste
- Angst vor Verantwortung
- mangelnde Fähigkeit Entscheidungen zu treffen
- Depressionen
Ein anschauliches Beispiel für schadhafte kognitive sowie metakognitive Prägungen ist ein Kind, das in jungen Jahren sehr vielen schlechten Nachrichten, Stress und dem Überlebenskampf der alleinerziehenden Mutter ausgesetzt war. Bekommt das Kind diese Umstände ständig mit und wird davon geprägt, können sich die Wahrnehmungsfähigkeit und Informationsverarbeitung vorwiegend auf unzufriedenstellende Umstände und Konflikte ausrichten.
In einer fiktiven Szene steht dieses Kind oder später der Erwachsene in einem Park. Unweit befindet sich eine Familie, die harmonisch und liebevoll einem Picknick nachgeht. Auf der anderen Seite sitzt eine Familie auf einer Bank und streitet lautstark.
Die metakognitive Prägung richtet die Aufmerksamkeit sehr wahrscheinlich auf die negative Szene, weil dies den gewohnten Prozessen entspricht. Es ist, obwohl unschön, für den Menschen das Altbekannte und Gewohnte.
Obwohl Stress, Streitereien und Negativität unangenehme Folgen im Körper auslösen
- Ausschüttung von Stresshormonen
- Stoffwechselstörungen
- Zittern
- trockener Mund usw.,
gibt das Belohnungssystem des Gehirns einen beruhigenden Impuls, durch die familiäre Vertrautheit der negativ besetzten Szene.
Ein Beispiel für eine zum Beispiels passende schadhafte Metakognition wäre ein Satz wie
„Wenn ich Stress und Probleme in meinem Umfeld immer gut im Auge behalte, kann ich mich selbst besser schützen“.
Durch den zusätzlichen Belohnungs-Kick im Gehirn kann eine regelrechte Sucht nach schlechtem Umgang, Demütigungen und beängstigenden Szenarien entstehen.
Gleichzeitig haben alle Menschen eine angeborene Sehnsucht nach Ordnung und Frieden. Es entsteht ein innerer Konflikt, der das Entstehen von Vermeidungsstrategien, Depressionen und Störungen der Persönlichkeit begünstigt.
Die praktischen Ansätze der metakognitiven Therapie
In der Psychologie wird mittels der MCT versucht, dem Patienten die eigenen Lösungs- und Bewertungsstrategien bewusst zu machen.
An Depressionen und Angststörungen erkrankte Menschen neigen zu exzessiven Sorgen, Grübeln und Selbstzweifeln. Dem Guten und der Schönheit dieser Welt misstrauen sie innerlich zutiefst. Bewusst oder unbewusst zieht es diese Menschen immer wieder zu Medien, die schlechte Nachrichten verbreiten, oder Freunden und Bekannten, die ebenfalls zu Depressionen und Angst neigen.
In der Therapie werden zunächst Muster sichtbar gemacht. Durch die Frage „warum“ sich ein Mensch immer wieder mit Negativität oder schmerzhaften Erinnerungen auseinandersetzen muss, können übergeordnete geistige Wahl- und Glaubensmuster wie
- exzessives Nachdenken könne zu besseren Lösungen führen
- das Sezieren von Situationen brächte einen Wissenszugewinn
- das geistige Wiederholen von Szenen würde psychische Erleichterung bringen
in die bewusste Wahrnehmung der Klienten gelangen.
Einmal erkannt, setzen bereits konstruktive metakognitive Lösungs-Prozesse ein. Werden diese Aha-Momente und die Beleuchtung eigener geistiger Strukturen regelmäßig wiederholt, können sich langfristig neue Denkgewohnheiten etablieren.
Bei den meisten Menschen sind gute und schlechte Metakognitionen gleichzeitig am Werk. In der metakognitiven Therapie werden die aufwertenden und erfolgreich-kreativen Strukturen der Selbstreflexion und Wissensbewertung aufgezeigt und durch Übungen gestärkt.
Im Alltag helfen Achtsamkeitsübungen und die Etablierung neuer Gewohnheiten dabei, schadhafte metakognitive Strukturen zu identifizieren und bewusst neue Entscheidungen zu treffen.
Abgrenzung zur Kognitiven Verhaltenstherapie (CBT)
Ganz anders als in der MCT arbeitet die CBT vorzugsweise mit der Bewusstwerdung der rein kognitiven Prozesse
- Wie werden Informationen aufgenommen?
- Welche Informationsquellen werden genutzt?
- Wie bewertet die Person diese in erster Instanz?
- Wird wird mit den eigenen Gefühlen, Gedanken und Emotionen umgegangen?
Zur Angstbewältigung wird zunächst mit einer Reduzierung aufgenommener Sinnes-Impulse und diversen Entspannungstechniken gearbeitet.
Um Ängste zu verstehen, werden deren Entstehungs-Wege intensiver beleuchtet. Ist die Angst real und geht auf vergangene Ereignisse zurück, wird dem Patienten vermittelt, dass die Wiederholung der Geschehnisse unwahrscheinlicher ist als geistig angenommen.
Erste Erfolge sowie die Entspannung akuter Angstzustände helfen dabei, innere Zwänge zu besiegen und Stress-Quellen zukünftig erfolgreich auszumachen und zu meiden.
Bei irrealen Angststörungen oder Phobien kann dem Klienten bestenfalls die Absurdität der Angst begreifbar gemacht werden.
Die CBT betrachtet jedoch nicht die übergeordneten Verhaltensprozesse. Dort kann eine feste Überzeugung über den Nutzen der eigenen Angststörung verankern sein. Existiert eine übergeordnete Geisteshaltung, die besagt, dass Angst vor Bedrohung schütze, kann sich trotz Erfolgen auf der kognitiven Ebene das alte Verhalten schnell wieder einschleichen.
Eine Studie* aus dem Jahr 2018 zeigte, dass die MCT die CBT in Nutzen und Erfolg weit übertreffen kann.
Patienten mit einer generalisierten Angststörung wurden entweder mit der metakognitiven Therapie, der kognitiven Therapie oder gar nicht behandelt.
In der nicht-therapierten Gruppe stellten sich im Vergleichszeitraum keinerlei Verbesserungen der Symptome ein. Mittels CBT behandelt, konnte die Hälfte der Probanden eine dauerhafte Erleichterung der Angststörung verzeichnen. Die metakognitive Therapie dagegen erreichte bei dreiviertel der behandelten Menschen eine deutliche Verbesserung der Störungen.
*ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6171331/