Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung im Überblick – Was Sie über Narzissmus wissen sollten
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff Narzissmus negativ besetzt. Insbesondere im Wertekanon christlicher Kulturen gelten Nächstenliebe und Achtung vor dem Mitmenschen als hohe Güter, während Hochmut und Ichbezogenheit verpönt sind.
Aber sind Narzissten wirklich so verwerflich?
Ab wann wird eine narzisstische Persönlichkeit zu einem Problem, mit dem sich die Psychologie beschäftigen sollte? Hat die Fokussierung auf das Ich vielleicht auch positive Seiten?
Angesichts der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung, die von Leistungdruck und Individualisierung geprägt ist, gewinnt die Diskussion über das komplexe Thema des Narzissten zunehmend an Bedeutung. Die Wissenschaft hat hierzu bereits zahlreiche interessante Untersuchungsergebnisse geliefert, steht aber dennoch erst am Beginn der Erforschung dieses weiten Feldes der Psychoanalyse rund um die narzisstische Persönlichkeit.
Narzissmus / narzisstisch:
Definition und Wortherkunft
Narzissmus ist laut Duden eine Bezeichnung für übersteigerte Selbstliebe. Im Bereich der Forschung hat Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, den Begriff eingeführt und ihn erstmals 1914 in seiner Schrift „Zur Einführung des Narzissmus“ näher erläutert. Bei der Wortfindung für die narzisstische Störung griff er auf die epischen Dichtungen der griechischen Mythologie zurück.
Über das Motiv der Selbstliebe finden sich in den Überlieferungen verschiedene Versionen. Zu den bekanntesten zählt Ovids Hexameter „Narcissus und Echo“, der Teil seines Buches „Metamorphoses – Verwandlungen“ ist. Gegenstand dieser Erzählung ist das Schicksal eines wunderschönen Jünglings, der im wahrsten Sinne des Wortes in der Liebe zu sich selbst ertrank und dadurch zu Tode kam.
Dieser junge Mann der Mythologie war der Sohn des Flussgottes Kephisos und der Nymphe Neiriope, die ihm den Namen Narcissos gaben. Er wuchs heran zu einem Jüngling von makellosem Aussehen, sodass ihn alsbald zahlreiche Verehrerinnen und Verehrer umwarben. Doch in dem stolzen Bewusstsein um seine Schönheit und Anziehungskraft wies der Jüngling alle Liebesofferten zurück.
Zu den Verschmähten zählten die Bergnymphe Echo sowie Ameinios, dem Narcissos aufgrund dessen Zudringlichkeit ein Schwert zukommen ließ. Bevor der Zurückgewiesene damit einen Suizid beging, bat er die Götter um Rache für seine verletzte Ehre. Nemesis, zuständig für Gerechtigkeit, erhörte den Unglücklichen und belegte Narcissos mit dem Fluch, fortan nur noch sich selbst lieben zu können.
Eines Tages entdeckte der Schönling der Mythologie sein Spiegelbild in einer Wasserquelle. Fasziniert von der Tadellosigkeit seines Ebenbildes suchte er, sich mit diesem zu vereinigen. Doch die Erkenntnis der Unerfüllbarkeit dieser Liebe zum Ich ließ Narcissos verzweifeln und führte schließlich zu seinem Tod durch Ertrinken in der Wasserquelle, die sein Antlitz widerspiegelte.
Narcissos‘ letzte Worte gab die Nymphe Echo wieder: „Ach, du hoffnungslos geliebter Knabe, lebe wohl!“
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Diagnostische Einordnung über ICD 10 und DSM IV
Der internationale Diagnoseschlüssel ICD 10 stuft Narzissmus nicht als eigenständige Krankheit ein, sondern führt die narzisstische Störung unter der Rubrik „sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen“ (F 60.8) als nicht näher erläuterten Unterpunkt auf. Bei diesen handelt es sich im Allgemeinen um
„tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Sie verkörpern gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen“ und „gehen beinahe immer mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher“
(icd-code.de/icd/code/F60.-.html).
► Diagnosekriterien nach ICD 10
Im Anhang des ICD 10 Grünbuchs finden sich spezifischere Kritierien, anhand derer die Diagnose „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ (NPS) gestellt werden kann, sofern mindestens fünf der folgenden Symptome erfüllt sind:
- Größengefühl in Bezug auf die eigene Bedeutung (z. B. die Betroffenen übertreiben ihre Leistungen und Talente, erwarten, ohne entsprechende Leistungen als bedeutend angesehen zu werden)
- Beschäftigung mit Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Scharfsinn, Schönheit oder idealer Liebe
- Überzeugung, „besonders“ und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen oder solchen mit hohem Status (oder von entsprechenden Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen zusammen sein zu können
- Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung
- Anspruchshaltung; unbegründete Erwartung besonders günstiger Behandlung oder automatische Erfüllung der Erwartungen
- Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vorteilsnahme gegenüber anderen, um eigene Ziele zu erreichen
- Mangel an Empathie; Ablehnung, Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
- Häufiger Neid auf andere oder Überzeugung, andere seien neidisch auf die Betroffenen
- Arrogante, hochmütige Verhaltensweisen und Attitüden
- Ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten)
(Quelle: AWMF_Leitlinie_Persoenlichkeitsstörung.pdf)
► Diagnosekriterien nach DSM IV / V
Im Unterschied zum regulären ICD 10 Schlüssel listet das amerikanische Klassifizierungssystem DSM IV die Symptome, die auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hinweisen, in seinem Hauptteil auf. Eine Zusammenfassung der dort angegebenen Symptome bietet aerzteblatt.de:
„Die Betroffenen haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit, sie verlangen nach übermäßiger Bewunderung, sie idealisieren sich selbst und sind stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz oder Schönheit eingenommen. Sie glauben von sich, besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen außergewöhnlichen oder angesehenen Personen oder Institutionen verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können. Darüber hinaus zeigen sie ein offensives Anspruchsdenken und erwarten, bevorzugt behandelt zu werden.“
Darüber hinaus bezieht der aktuelle DSM V Diagnosekatalog – im Unterschied zu der DSM IV Vorgängerversion – nun auch die Fälle des verdeckten pathologischen Narzissmus mit ein, die sich durch extreme Verletzlichkeit, Schüchternheit und Hypersensibilität auszeichnen, aber ebenfalls von Ich-Fixiertheit bestimmt sind und somit als narzisstische Störung zu werten sind.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Ich, der Mittelpunkt der Welt
In der dreiteiligen ARD-Alpha-Doku „Mensch, bin ich toll“ (https://umgang-mit-narzissten.de/definition-narzissmus/) heißt es gleich zu Beginn:
„Sie sind unter uns: Menschen, die egoistisch handeln, arrogant und selbstverliebt sind, größenwahnsinnig auftreten und manipulativ agieren – kurz: Narzissten. Scheinbar werden es immer mehr. Ist Narzissmus die Plage des 21. Jahrhunderts?“
Dieselbe Entwicklung nimmt auch der österreichische Psychologe Reinhard Haller wahr, der generell eine Zunahme von psychischen Störungen wie Angstkrankheiten feststellt. In einem Vortrag zum Thema „Narzissmus in Beruf, Gesellschaft und Partnerschaft“ (https://www.youtube.com/watch?v=wQLO4Sp9GTU) stellt er fest, dass Egozentrik, Rücksichtslosigkeit, Gier und übertriebene Selbstdarstellung das individuelle und öffentliche Leben dominierten. Tendenziell sieht er die Gefahr, dass aufgrund der Zunahme der Zahl an Menschen, die eine narzisstische Persönlichkeit bzw. eine narzisstische Störung haben, mehr und mehr emotionale Kälte die zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmen werde.
Doch was genau heißt es, ein Narzisst zu sein, zumal es in beiden Youtube-Videos heißt, dass dessen Eigenschaften auch positive Seiten haben kann? Neigen wir nicht alle dazu, etwa in Krisensituationen uns auf uns selbst zu konzentrieren und unser angegriffenes Selbstwertgefühl schützen zu wollen (vgl. mangelndes Selbstwertgefühl), indem wir es gedanklich aufwerten? Sind wir deshalb gleich eine krankhaft narzisstische Persönlichkeit und reif für die therapeutische Psychologie beziehungsweise Psychotherapie?
„Jeder von uns ist ein Narzisst – manche mehr, manche weniger“
heißt es beispielsweise auf der Internetseite impulsdialog.de. Nach Meinung von Psychologen zeugen Egoismus und Eigenliebe nicht generell von einem schlechten Charakter, sondern sind Eigenschaften, die bis zu einem gewissen Grad sogar gesund sind, um die Psyche gegen negative Außeneinflüsse (siehe negative Energie) zu schützen. So sollte generell jeder Mensch
„in der Lage sein, sich selbst in positiver Weise zuzuwenden und seine eigenen Bedürfnisse spüren und beachten. Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstbewusstsein sind die Voraussetzung für eine stabile Persönlichkeit, die kraftvoll ein erfülltes Leben führen möchte“
(umgang-mit-narzissten.de/definition-narzissmus/).
Doch im Unterschied zu dieser situationsbezogenen und gelegentlich auftretenden Selbstkonzentrierung charakterisiert die krankhafte narzisstische Persönlichkeitsstörung die permanente Fixierung auf das Ego, das der Narzisst realtitätsfern überbewertet. Seine Mitmenschen dagegen begreift er als ihm unterlegen und sieht sie als reine Objekte, die voller Ehrfurcht seine Exklusivität und Genialität bewundern sollen und die ihm lediglich zur Manipulation zwecks Erfüllung eigener Bedürfnisse dienen.
Eine narzisstische Persönlichkeit „wertet alles ab und dann läuft viel nur noch in der Fantasie: Wenn ich wollte, dann könnte ich ja. Es kann jemand sein, der auf der sozialen Leiter oben angekommen ist, oder auch jemand, der wenig Kontakte hat und in der Gedankenwelt lebt, er sei extrem genial und hätte eigentlich alle Fähigkeiten“ (tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/narzissmus-die-sorge-um-sich/11980938.html).
Ein Mensch mit einer krankhaft narzisstischen Persönlichkeitsstörung lebt in einem Elfenbeinturm, ohne dies selbst zu erkennen. Auch wenn der Narzisst in der Lage ist, die Gefühle anderer wahrzunehmen, so ist er doch nicht fähig, diese empathisch nachzuempfinden. Dennoch sucht die narzisstische Persönlichkeit den Kontakt zu ihrer Umwelt, weil sie deren Bestätigung ihrer unangreifbaren Einzigartigkeit braucht.
Aus dieser Denkstruktur heraus ist nachvollziehbar, dass ein Narzisst nicht mit Kritik an seiner Person umgehen kann. Statt sachlich auf der Argumentationsebene zu bleiben, reagiert er darauf aggressiv, wütend, gekränkt, beleidigt, ausfallend und rachsüchtig. Kritik empfindet der Narzisst stets als ein Infragestellen seiner gesamten Persönlichkeit, die in seinen Augen perfekt ist. Somit kann eine narzisstische Persönlichkeit ein Hinterfragen ihres Verhaltens – zumal von einem Gegenüber, das in ihren Augen nicht viel wert ist – nur als inakzeptable Anmaßung ihr gegenüber deuten.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Ursachen – Gene und Erziehung durch Eltern
Bei der Herausbildung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Mit einem geschätzten Anteil von rund 40 Prozent hat die genetische Veranlagung einen großen Einfluss. Daneben kommt der Erziehung eine zentrale Bedeutung zu. Ausschlaggebend hierbei sind entweder „fehlende elterliche Wärme“ oder „eine extreme Überbewertung des Kindes“, wie die Psychologin Prof. Carolyn Morf erklärt. (https://www.youtube.com/watch?v=gYcGY7S_cQ4).
Dabei sieht beispielsweise Sigmund Freud die Mutter als maßgebliche Instanz für die Gestaltung der Beziehung zu ihrem Kind an. Auch andere Psychoanalytiker bewerten die Art des Verhältnisses zwischen Mutter und Kind während der ersten Entwicklungsjahre der Söhne oder Töchter als prägend für die Persönlichkeitsentwicklung.
Die Grundlagen für eine narzisstische Persönlichkeitstörung werden also in der Kindheit gelegt, wobei die Wissenschaft das Verhalten der Eltern, insbesondere die Nähe der Mutter in der Babyphase zu ihrem Kind, und die genetische Vererbung als potenzielle Ursache ansieht.
Voll in Erscheinung tritt der selbstbezügliche Charakter im jungen Erwachsenenalter. Ein Schlüsselbegriff bei dieser pathologischen Form der unrealistischen Erhöhung des Ichs ist ein labiles Selbstwertgefühl, das die narzisstische Persönlichkeit nur in Abhängigkeit von der Anerkennung durch die Außenwelt für sich ins Gegenteil verkehren kann. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung beinhaltet somit auch Merkmale einer Angsterkrankung, die sich bei Betroffenen in der unbewussten Furcht vor Ablehnung und Zurückweisung äußert.
Die narzisstische Persönlichkeit in Beruf und Partnerschaft
„Neueren Untersuchungen zufolge sind Menschen mit einer narzisstischen oder psychopathischen Persönlichkeit etwa drei- bis viermal häufiger in Machtpositionen vertreten als im Bevölkerungsdurchschnitt“, konstatiert der Psychologe Jens Hoffmann in einem Interview. (zeit.de/karriere/beruf/2014-05/psychopathen-interview-psychologe-jens-hoffmann/komplettansicht) Der Grund dafür ist, dass Unternehmen häufig das Dominanzstreben, die Fähigkeit zur Manipulation und die Gefühlskälte von Narzissten als positive Eigenschaften von Führungspersönlichkeiten werten.
Darüber hinaus hinterlässt ein Narzisst nicht nur im beruflichen Bereich, sondern auch im privaten meist einen ersten guten Eindruck von sich. Eine narzisstische Persönlichkeit erzählt gerne von sich, und zwar nur positiv, ist oft charmant und mitreißend. Dass hinter diesen Charakterzügen allerdings in Wahrheit nur die Sucht nach Anerkennung steckt, merken viele erst beim genaueren Kennenlernen der Wesenszüge des Narzissten, der sich alsbald als äußerst oberflächlich und gefühlskalt entpuppt.
Wer es jemals mit einem krankhaften Menschen, der permanent auf einem Ego-Trip ist, beruflich oder in Form einer Partnerschaft zu tun hatte, weiß, wie schwierig der Umgang mit ihm ist. Ein Blick ins Internet verrät, wie viele Menschen in dem einen oder anderen Forum von ihrem Leidensweg an der Seite eines egozentrischen Partners oder Kollegen berichten. Der gegenseitige Austausch in einem solchen Forum bietet vielen die Möglichkeit, mit ihrer schwierigen Situation besser klarzukommen.
Aussichtslos ist indes der Versuch, eine narzisstische Persönlichkeit etwa innerhalb einer Beziehung selbst therapieren zu wollen und sie zu bitten, zum Beispiel einen Selbsttest in Form eines Fragenkatalogs im Internet zu machen. Ein laienhafter Ansatz, der das gut gemeinte Ziel verfolgt, dass Narzissten ihre Ich-Fokussierung überwinden, ist immer zum Scheitern verurteilt.
Sowohl in einer Partnerschaft / Beziehung als auch im Job hat man daher nur die Möglichkeit, seine eigene Einstellung so auszurichten, dass man nicht Schaden an der eigenen Psyche nimmt. Grundsätzlich ist es daher hilfreich, inneren Abstand zu einer Person mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung zu nehmen sowie auf die Wahrung der eigenen Autonomie zu achten. Auch nutzt eine große Portion Gelassenheit (vgl. gelassen sein) und Ruhe gegenüber einem Menschen, der sich als enorm wichtig aufplustert, aber hinter der Scheinkulisse nur oberflächlich und selbstbezogen ist. Weitere Tipps zu diesem Thema des Umgangs mit Narzissten auf beruflicher Ebene oder innerhalb einer Partnerschaft bietet zum Beispiel die Online-Seite https://umgang-mit-narzissten.de/verhaltensregeln/.
Leichtfertig sollte man indes keinen Menschen als Narzissten einstufen, denn die Symptome und Störungsbilder der krankhaften Persönlichkeit unterscheiden sich deutlich von dem Charakterzug des normalen Egoismus. Erst ein psychologischer Test und massive Probleme im zwischenmenschichen Bereich weisen auf die Symptome hin, anhand derer eine narzisstische Krise festzumachen ist und eine Verhaltenstherapie anzuraten ist. Auch der Kontakt von Betroffenen, die unter einem vermeintlichen Narzissten leiden, mit anderen – etwa in einem Forum -, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann Aufschluss über den Grad der Störungsbilder und die Notwendigkeit einer professionellen Behandlung geben.
Narzisstische Störung: Test, Psychoanalyse und Verhaltenstherapie
Ein Narzisst, der von sich überzeugt ist, dass er perfekt sei, sieht in der Regel keine Veranlassung, eine Psychoanalyse an sich durchführen zu lassen und sich in Verhaltenstherapie zu begeben. Oft sind es gravierende Verändungen der Lebensumstände wie Jobverlust oder Trennung vom Partner, die eine narzisstische Krise auslösen und beim Betroffenen dazu führen, sich zu überwinden, ärztlichen Rat zu suchen und sich in Behandlung zu begeben. Nicht selten begleitet eine solche Phase des Scheiterns in der Außenwelt eine tiefe Depression, aus der der Betroffene sich selbst nicht herauszuhelfen vermag.
Ein psychologischer Test gibt meist Aufschluss darüber, ob eine narzisstische Störung vorliegt und eine Therapie angezeigt ist. In der Wissenschaft kommt häufig der NPI (Narcissistic Personality Inventory) zur Anwendung, ein Test, der – je nach Version – 37 bis 54 Fragen enthält. Wer sich selbst unsicher ist, ob er oder vielleicht sein Partner ein Narzisst ist, findet im Internet jede Menge Seiten, die einen psychologischen Selbsttest anbieten. Einen solchen Test kann man zum Beispiel hier durchführen: seele-und-gesundheit.de/test/narztest.html.
Für die Psychologie bedeutet die Psychotherapie eines Narzissten eine große Herausforderung, zumal die Betroffenen nur schwer Nähe zulassen und oftmals, wenn sie erst mal den Weg in die Praxis gefunden haben, gleichzeitig wegen einer Depression behandelt werden müssen. Nach Auskunft von Prof. Claas-Hinrich Lammers, Facharzt für Psychiatrie, kann die Erforschung der Ursuchen und die Therapie eines Menschen, bei dem eine narzisstische Krise vorliegt, bis zu drei Jahre dauern. Dabei liege die Abbruchrate einer Therapie vonseiten des Patienten bei 50 Prozent. (https://www.youtube.com/watch?v=dB4BiCCXJRM)
Zusammenfassung: Generation Y – Bald nur noch Narzissten in unserer Gesellschaft?
Obwohl die Definition des Begriffes „Narzissmus“ sich auf bestimmte krankhafte Verhaltensmuster bezieht, ist der Ausdruck aktuell in der Gesellschaft nahezu inflationär im Gebrauch. Im Blick steht insbesondere die Generation Y, also die zwischen 1980 und 1999 geborenen Söhne und Töchter, die mit der digitalen Welt groß geworden sind, worin viele die Ursachen für die Entwicklung hin zu mehr Gefühlskälte in der Gesellschaft sehen. Kritisch und besorgt beäugt die Wissenschaft vor allem deren aktuelles Verhalten im Internet, das mehr und mehr die Selbstdarstellung – wie der Selfie-Trend – und die Suche nach Bestätigung fördert. Für viele sind dies markante Merkmale und Indizien, die die Annahme untermauern, dass die Generation der Zukunft eine narzisstisch geprägte mit hoher Anspruchshaltung sein wird.
Prof. Lammers warnt hingegen davor, zu beliebig mit dem Begriff umzugehen und die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer Welt von Narzissten überzubewerten. So habe es beispielsweise während der Zeit der Hippie-Bewegung auch eine Phase gegeben, in der die Jugend sich überwiegend mit sich selbst beschäftigt habe. Als pathologisch narzisstisch sei lediglich ein Prozent der Bevölkerung einzustufen. (https://www.youtube.com/watch?v=dB4BiCCXJRM&index=5&list=PLwAPVv60DfxA8wA70dfDKutPS3Et_68io)
Letztendlich hat die Psychologie im Zusammenhang mit diesem Thema noch viele Felder zu bearbeiten, was Ursachen und die Therapie von Menschen, die in eine narzisstische Krise geraten sind, angeht. Auch fehlt der Definition von pathologischem Narzissmus noch eine präzisere Klassifizierung, so etwa im ICD 10.
Zusammenfassend lässt sich nach heutigem Wissensstand zur Frage, was Narzissmus charakterisiert, Folgendes festhalten:
„Narzissmus ist faszinierend und abschreckend zugleich, eine kleine Dosis davon gesund, das Übermaß immer schädlich, denn mit ihm wächst Abwertung, Manipulation und Rücksichtslosigkeit.“ (https://www.youtube.com/watch?v=gYcGY7S_cQ4)
Freud, der Vater der Psychoanalyse, hätte dieser Beschreibung des Narzissmus bzw. für die narzisstische Persönlichkeitsstörung sicherlich zugestimmt.