Wenig Selbstbewusstsein / Selbstsicherheit? Oder schon eine „selbstunsichere Persönlichkeitsstörung“?!
Hin und wieder bemerkt jeder im Alltag, dass er sich einer Sache nicht sicher ist oder dass er in größere Zweifel gerät. Manchmal festigen sich die gedanklichen Strukturen so, dass es schwer fällt, einen Weg zum Entkommen zu finden. Es gibt jedoch Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen. Zum Beispiel ist es oft bereits nützlich, alles Positive, was man selbst schon erledigen konnte, schriftlich zu fixieren. So sieht man direkt vor sich, wozu man fähig ist und dass die Grundsteine gelegt worden sind. Darauf kann man aufbauen.
Des Weiteren sollte man nicht in Panik geraten, wenn Fehler festgestellt werden. Es gibt niemanden, der keine Fehler macht. Die Fehler sollten auch nicht einfach ignoriert werden, sondern ein Bewusstsein darüber geschaffen werden, an welchen Stellen man ansetzen muss und sich verbessern muss. Dann kennt man seinen genauen Stand und kann für spätere Lebenslagen daraus lernen.
Dabei sollte man sich auch überlegen, ob man selbst übertreibt, weil man gerade in der Situation so empfindet, als wäre man einer Sache nicht gewachsen oder ob es einer allgemeingültigen Tatsache entspricht. Darüber hinaus ist es nicht nur empfehlenswert, bereits Geleistestes gedanklich abzurufen, sondern auch im Vorfeld die Erfolge, die sich einstellen werden, genau zu skizzieren. Die Wahrscheinlichkeit wird höher, dass sich das eigene Handeln dann automatisch danach richtet, was erreicht werden soll und kann.
Zuletzt ist es ratsam, sich mit anderen Personen über seine Bedenken auszutauschen. Denn dies führt dazu, dass man neue oder erweiterte Perspektiven kennenlernt und seine Situation neu analysieren kann. Es ist generell durchaus auch möglich, dass ein gesundes Maß an Selbstzweifeln und Selbstunsicherheit einen vorantreiben. Denn man möchte am Ende Selbstbestätigung sehen und wissen, dass man die Unsicherheit beseitigen konnte. Wenn es sich jedoch herausstellen sollte, dass jemand permanent derartigen Gefühlen unterlegen ist und diese zum Lebensinhalt geworden sind, ist zu prüfen, ob es sich beispielsweise um eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung oder um eine selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung handelt.
Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
Wer unter einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung leidet, entzieht sich zwar Situationen, in denen eine Form von Beziehung zwischen Personen hergestellt werden muss, wünscht sich aber gleichzeitig nahen Kontakt zu anderen Menschen. Der Grund für sein Meiden liegt darin, dass er Angst davor hat, zurückgewiesen, ausgegrenzt oder abgewiesen zu werden (siehe Angst vor Ablehnung). Er befürchtet, er könnte gekränkt oder gedemütigt werden (siehe auch: Angst ausgelacht zu werden). Viele Betroffenen fühlen sich deshalb minderwertig, auch wenn dies unbegründet sein mag. Sobald sie jedoch mindestens einmal die Erfahrung gemacht haben, beispielsweise zurückgewiesen worden zu sein, beginnen sie damit, sozial gehemmt zu sein (vgl. soziale Kompetenzdefizite). Um jedoch eine Störung im Sinne einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung oder einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu können, müssen mindestens vier Kriterien aus der folgenden Liste erfüllt werden:
- Grundlegende Besorgtheit und permanente sowie intensive Anspannung
- Ablehnung fester persönlicher Kontakte im Beruf und im sozialen Umfeld aufgrund von Angst vor Demütigung oder Kritik
- Herstellen von Vergleichen mit anderen mit dem Ergebnis, sich selbst als minderwertig oder unbeholfen einzustufen
- Begrenzte Lebensart aus Rücksicht auf die Sicherheit des Körpers
- Ständige Angst vor Kritik und Ablehnung in allen sozialen Bereichen
- Pflegen von Kontakten ausschließlich bei absoluter Gewissheit, bedingungslos geschätzt und respektiert zu werden
Menschen mit einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung neigen darüber hinaus oft dazu, auf alles überempfindlich zu reagieren. Weil die Angst vor Kritik so übermäßig groß ist, präferieren es Menschen mit gegebener Störung in der Regel, andere entscheiden zu lassen. Sollten sie dabei Unterstützung für einen Denkanstoß von außen bekommen, empfinden sie das oft als Belastung oder Verpflichtung. Auch innerhalb einer Beziehung erwarten sie aufgrund ihrer Selbstunsicherheit, dass vom Partner alles geregelt wird. Der jeweilige Partner lebt die Abhängigkeitsrolle dann entweder intensiv oder kommt überhaupt nicht damit klar, dass ihm eine Aufgabe übertragen wird, die er ständig erfüllen soll. Bei weiteren Beziehungen ist man bereits so geprägt, dass dieses Verhalten als normalisiert gilt und es als noch schlimmer empfunden wird, wenn es nicht entsprechend erfüllt wird.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass ca. 1-2 Prozent aller Lebenden mit dieser Störung konfrontiert sind. Meistens kommen noch andere Störungen hinzu. Normalerweise wissen die Betroffenen, dass sie dem jeweiligen Krankheitsbild zugeordnet werden. Als Konsequenz muss das Selbstvertrauen gestärkt werden. Weitere Ansätze bieten ein Sozialkompetenztraining, bei welchem Eventualitäten imitiert werden, sowie eine Psychotherapie. Es besteht auch die Möglichkeit, Diskrepanzen von früher zu vergleichen und das damalige Verhalten zu analysieren, um festzustellen, ob grundsätzlich eine bestimmte Haltung eingenommen wurde, die sich gefestigt hat. So verfährt die Tiefenpsychologie. In der Verhaltenstherapie hingegen soll das Selbstwertgefühl gesteigert werden, indem surreale gefestigte Muster widerlegt werden
(vgl. auch youtube.com/watch?v=R89qpGQAgl0 und ipsis.de/themen/thema_selbstunsicher.htm).
Selbstunsicher -vermeidende Persönlichkeitsstörung
Das wichtigste Merkmal einer Person, die eine selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung diagnostiziert bekommen hat, ist die Kombination aus Furcht vor Bindung (vgl. auch Bindungsstörung bei Erwachsenen) und Angst vor Sehnsucht. Man kann die Betroffenen in zwei Kategorien einteilen.
- Die einen sind distanziert und kühl und vermeiden somit die Gesellschaft möglichst gänzlich. Dabei können sie sich gegenüber anderen nicht empathisch äußern oder offenbaren, selbst wenn das Gefühl in ihnen verankert ist. Zudem sind sie ständig misstrauisch gegenüber anderen Personen.
- Die andere Gruppe ist ausnutzbar und nachgiebig. Sie tun anderen oft einen Gefallen, obwohl sie es nicht wirklich wollen.
Für alle, die mit einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung leben müssen, kann es verschiedene Auslöser geben. Nach der Theorie der Sozialphobie muss es im früheren Leben analoge Beispiele gegeben haben, die das Folgeverhalten begründeten und schließlich internalisierten. So wird in der Psychotherapie bei Selbstunsicherheit in der Regel so vorgegangen, dass ein Patient sowohl Einzeltherapie als auch Gruppentherapie bekommt. Denn in der Gruppentherapie können die Rollenspiele der sozialen Welt gegenseitig geübt und verinnerlicht werden. In der Einzeltherapie wird genauer überprüft, welche Teilziele der Patient erreichen möchte. Dafür wird ein längerer Zeitraum benötigt, in welchem es dem Betroffenen ermöglicht wird, die Muster auch in der Realität bewusst und gezielt zu beobachten und zu optimieren. Ähnliche, aber nicht identische Muster treten bei der sozialen Phobie beziehungsweise bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung auf (vgl. auch https://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/selbstunsicherheit.html).