„Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.“
Zu dieser entspannten Haltung des griechischen Philosophen Epikur von Samos gegenüber dem Sterben finden nur die wenigsten Menschen.
„Die Furcht vor dem Tod ist jedem menschlichen Wesen eigen: Sie ist unser dunkler Schatten, der uns stets begleitet“,
schreibt die US-amerikanische Onlinezeitung „The Huffington Post“. Eine auf Youtube eingestellte Umfrage unter Passanten in München vermittelt indes ein anderes Bild.
Hier geben alle Befragten an, dass sie nur ein bisschen bis gar keine Angst vorm Sterben hätten. Gesteht man nicht gerne vor laufender Kamera seine Furcht ein? Oder sind die Interviewten tatsächlich frei von Beklemmungen?
Der Schauspieler Woody Allen äußerte sich zu diesem Thema folgendermaßen:
„Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn’s passiert.“
Diese Aussage deutet eine Möglichkeit im Umgang mit dem Sterben an, nämlich den Gedanken daran mit Humor zu verdrängen. Eine anderer Weg ist, sich der Realität zu stellen und sich mit ihr ernsthaft auseinanderzusetzen.
Über normale und krankhafte Angst vor dem Tod / Sterben
Die Art und Weise, wie sich Menschen angesichts ihrer eigenen Sterblichkeit positionieren, ist äußerst unterschiedlich. Einfluss darauf nehmen verschiedene Faktoren wie beispielsweise das kulturelle Umfeld oder das Verhalten der Eltern bei Geburt und dem Aufwachsen ihrer Kinder. Manche Menschen jedoch verlieren beim Sinnieren über das Lebensende den Boden unter den Füßen, und sie überfallen in solchen Momenten – häufig beim Grübeln, beim Einschlafen – Panikattacken (siehe Panikstörungen). Bei einigen kann diese Furcht vor dem Ungewissen so groß werden, dass sie beispielsweise an einer Depression erkranken.
Was aber tun gegen diesen Teufelskreis der Angst? Ein erster Schritt, ihn zu überwinden, ist, sich über die verschiedenen Krankheitsbilder und die Angebote, die es an Hilfe gibt, zu informieren. Denn ein Gegner, den man kennt, lässt sich leichter bezwingen.
Definition: Thanatophobie – Die Angst vor der eigenen Sterblichkeit
Die Wortherkunft von Thanatophobie geht auf die griechischen Begriffe „thánatos“ – gleich Tod – und „phobos“ – gleich Angst – zurück. Thanatos ist in der griechischen Mythologie ein Totengott, der zusammen mit Hypnos, dem Gott des Schlafes, im dunklen Grenzbereich von Tag und Nacht wohnt. Doch während der Menschenfreund Hypnos das Reich der Erde besuchen darf, charakterisiert Thanatos ein unerbittliches Wesen. Ihm obliegt es, die Menschen zu sich in die Finsternis zu holen und dabei keine Gnade walten zu lassen.
Von der Thanatophobie zu unterscheiden ist die Nekrophobie. Diese meint die pathologische Furcht vor Toten oder toten Dingen. Beiden Ängsten gemein ist, dass sie etwas Unbekanntes, Fremdes als Bedrohung empfinden.
Die Angst vorm Sterben: Ursachen
1. Der Tod: Ein gesellschaftliches Tabuthema
In der Werbung, in Hochglanzzeitschriften oder in Hollywoodfilmen sind Themen wie Tod und körperlicher Verfall meist verbannt oder realitätsfern geschönt. So beißen 80-Jährige kraftvoll in knackige Äpfel, und 100-Jährige steigen aus dem Fenster, um dem Altersheim zu entfliehen.
Nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Bereich gibt es viele Fälle, bei denen der enge Kontakt mit alten Menschen gemieden und der Gedanke an das Alter ausgeklammert wird. Die überfüllten Seniorenheime sind ein Indiz, dass die heutige Gesellschaft tendenziell eher zu einem Nebeneinander als zu einem Miteinander der jungen und älteren Generation neigt.
In früheren Zeiten, als die Medizin noch nicht so weit fortgeschritten war und es kein nahezu flächendeckendes Angebot an Pflegeeinrichtungen gab, verbrachten die Alten und Sterbenskranken ihre letzte Lebensphase zu Hause. Angst vor dem alleine sterben hatten sie nicht in dem Maße, wie das heute häufig der Fall ist, denn ihre Angehörigen kümmerten sich um sie. In diesem generationenübergreifenden Familienverbund war der Gedanke an den Tod permanent gegenwärtig.
Heute ist – teils auch wegen gesetzlicher Bestimmungen – eine solche Nähe zu Sterbenden nur noch schwer möglich und oftmals auch nicht gewollt. Eine Folge davon ist, dass wir nicht lernen,
„emotional den Tod als Bestandteil des Lebens anzusehen und zu akzeptieren“
(angst-panik-hilfe.de/angst-zu-sterben.html).
2. Der Tod: Eine fremde Macht
Wir wissen nicht, wie und wann wir sterben müssen. Selbst junge Menschen kann der Tod plötzlich aus dem Leben reißen, etwa schon bei Geburt. Es ist daher durchaus normal, dass die Vorstellung, völlig wehrlos gegenüber einer unsichtbaren Macht zu sein, ein ungutes Gefühl hervorruft – wir Angst vorm Tod haben.
Das Wesen des Menschen ist es, nach Selbstbestimmtheit und Eigenkontrolle zu streben. Deshalb lastet oftmals nicht nur generell der Gedanke an den Tod schwer auf der Seele, sondern auch die Angst vor einem hilflosem Siechtum und dem Verlust der Würde während der Phase vor dem Ableben.
Der Diplom-Psychologe Dr. Rolf Merkle erklärt zu diesem Aspekt:
„Haben wir ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle, dann haben wir Angst, weil wir auf den Zeitpunkt des Todes keinen Einfluss haben.“ (angst-panik-hilfe.de/angst-zu-sterben.html)
Weiter führt er aus, dass Menschen mit einem extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn oftmals gegen den zeitlichen Moment des Sterbens aufbegehren. So fragen sie sich, warum beispielsweise der hilfsbereite junge Kollege plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt und warum dagegen der alte griesgrämige Nachbar sich bester Gesundheit erfreut – und nicht einmal Angst vor dem Tod zu haben scheint, die andere Menschen plagt.
3. Der Tod: Der endgültige Abschied von der Familie
Wer sich auf eine lange Reise begibt, leidet nicht selten unter Heimweh und vermisst seine Lieben. Doch während im realen Leben die Perspektive eines Wiedersehens existiert, stellt sich der Tod als Point of no Return dar, als Zeitpunkt, an dem eine Rückkehr nicht mehr möglich ist.
Das Wissen, etwa als Alleinerziehende seine Kinder zurücklassen zu müssen oder als Vater nicht mehr zur Ernährung der Familie beitragen zu können, ist für viele nur schwer zu ertragen. Auch die Furcht vor dem Alleinsein (vgl. Autophobie), wenn der Partner aus dem Leben scheidet, kann psychisch äußerst belastend wirken. Zu diesem Leidensdruck kann sich ein neuer gesellen, nämlich die Angst vor dem alleine sterben müssen.
Auch Kinder können schon früh in Kontakt mit dem Tod kommen. Sie erleben etwa den Tod der Eltern als Schock. Insbesondere beim Einschlafen entwickeln sie nicht selten verworrene und panische Phantasien, aus denen ständige Phobien – eine panische Angst vor dem Sterben – erwachsen können.
Angst vor dem Sterben: Auswirkungen auf die Psyche
„Die Angst vor dem Sterben kann in Verbindung mit einer akuten, realen Gesundheitsbedrohung, als Begleiterscheinung einer Panikstörung und Krankheitsangst (Hypochondrie) und als Todesfurcht ohne einen realen Auslöser […] auftreten“,
konstatiert Dr. Merkle in seinem bereits erwähnten Online-Artikel über die Angst vorm Sterben. Die Folgen dieser Todesangst (Thanatophobie) können in Abhängigkeit von der individuellen Persönlichkeit unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Auffällige Verhaltensmerkmale können bei der Hypochondrie beispielsweise übertrieben häufige Gesundheitschecks beim Arzt sein, die dennoch beim Betroffenen zu keiner psychischen Beruhigung führen. Manche wenden sich dem Spirituellen zu und verlieren dabei den Bezug zur Realität. Wieder andere leiden unter körperlicher und psychischer Niedergeschlagenheit, werden von Albträumen (vgl. Albtraum) und Schlaflosigkeit geplagt oder durchleben Panikattacken. Das Risiko, an einer Depression, an Zwangsstörungen (siehe auch zwanghafte Persönlichkeitsstörung) oder Wahnvorstellungen (siehe auch Wahnvorstellungen Ursachen) zu erkranken, ist bei den von der Thanatophobie Betroffenen sehr groß – ein hoher Preis für die krankhafte Angst vorm Tod.
Was tun gegen die Angst vorm Sterben?
Der Tod ist kein Thema, das verhandelbar ist. Er ist fester Bestandteil des Lebens und unterscheidet nicht zwischen Jung und Alt oder Reich und Arm. Diese Tatsache ist unumstößlich. Die ständige panische Angst vor dem Sterben lässt sich somit nur dadurch überwinden, dass man seine innere Einstellung ändert und die Endlichkeit des Seins als natürlichen Prozess akzeptiert.
Auch wenn viele von der Thanatophobie Betroffenen auf der rationalen Ebene diese Sichtweise vermutlich teilen, gelingt es ihnen dennoch nicht, ihre Psyche zu beruhigen und sich von ihren negativen Emotionen (siehe auch: negativ denken) zu befreien. Nach Einschätzung von Dr. Merkle lässt sich die pathologische Angst am erfolgreichsten in einer professionellen Therapie behandeln. Eine solche Maßnahme ist insbesondere dann ratsam, wenn die Todesfurcht massiv die Lebensqualität beeinträchtigt.
Angst vorm Tod überwinden
Um die Panik zu überwinden, müssten Betroffene lernen,
„der Angst ins Auge zu sehen“,
sagt Dr. Hans Morschitzky, Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut. (panikattacken.at). Eine leidende Seele hat oft nicht die Kraft dazu, diesen Prozess alleine durchzustehen, weshalb sie Hilfe von einem Experten braucht.
Der Weg, sich von seinen Ängsten zu befreien, ist mühsam, oft langwierig und erfordert von den Betroffenen viel Geduld. Einen unterstützenden Beitrag liefert die Lektüre von Fachliteratur. Auch Selbsttests im Internet – wie der von Dr. Morschitzky zum Thema Panikstörungen – können Aufschluss darüber geben, wie sehr man Gefangener der eigenen Psyche ist. Ebenfalls empfehlenswert ist ein Blick auf folgende Website: „40 beruhigende Gründe, keine Angst mehr vor dem Tod zu haben“ (vernuenftig-leben.de/angst-vor-dem-tod/).