Was Sie über Trizyklika-Medikamente wissen sollten
Schon in den 50er-Jahren entdeckte der Schweizer Psychiater Roland Kuhn mehr durch Zufall die Wirksamkeit des Ipramins, mit dem er eigentlich Schizophrenie behandeln wollte, gegen Depressionen. Obwohl mittlerweile einige Mittel entdeckt wurden, die weniger Nebenwirkungen mit sich bringen, ist die seitdem erweiterte Palette der dem Ipramin ähnlichen Wirkstoffe unter dem Überbegriff „trizyklische Antidepressiva“ nach wie vor gegen diverse psychische Erkrankungen und Störungen im Einsatz: Um die 20 Prozent der insgesamt verschriebenen Antidepressiva gehören dieser Gruppe an.
- Aber wie funktionieren sie eigentlich, und für wen sind sie zu empfehlen?
- Welche verschiedenen trizyklischen Antidepressiva gibt es und wie funktionieren sie?
Der Oberbegriff der Trizyklika kann in drei verschiedene Wirkstoffgruppen unterteilt werden: Es gibt die Wirkstoffgruppe
- der antriebshemmenden,
- die der antriebsfördernden, und
- die der neutralen TZA.
Hier finden Sie eine Liste der einzelnen Trizyklika und ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Antriebshemmende Trizyklische Antidepressiva
– Amitriptylin
Amitriptylin war lang das am häufigsten verabreichte Antidepressivum, bevor in den 90er-Jahren die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingeführt wurden. Es wirkt nicht nur stimmungsaufhellend, sondern auch beruhigend und schmerzlindernd und wird deshalb bei Patienten, die neben Depressionen auch noch unter chronischen Schmerzen (zum Beispiel Kopfschmerzen als gängige Symptome einer Depression) oder Schlafstörungen leiden (siehe auch Durchschlafstörungen), noch immer recht häufig verschrieben.
Es beeinflusst hauptsächlich dadurch, dass es die Verfügbarkeit von Monoamin im Gehirn erhöht. Monoamin ist verantwortlich für den Transport der stimmungsfördernden Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin (siehe auch Noradrenalin Wirkung), was bedeutet, dass deren Wirkspiegel durch seine bessere Verfügbarkeit gesteigert wird (vgl. auch Serotoninmangel).
Zusätzlich beeinflusst Amitriptylin aber auch andere Botenstoffe wie zum Beispiel Acetylcholin, welches unter anderem für die beruhigende Wirkung des Medikaments verantwortlich ist.
– Trimipramin
Die neben der Stimmungsaufhellung wichtigste Auswirkung von Trimipramin ist, dass es beruhigt und Angst mindert. Deshalb wird es häufig bei der Behandlung von Angststörungen, übermäßiger Erregung und bei Schlafstörungen verordnet.
Das Trimipramin hemmt, wie die meisten TZA, mehrere Rezeptoren im Gehirn, unter anderem die Serotonin- und die Histamin-Rezeptoren.
– Doxepin
Wie die anderen beiden Mitglieder seiner Wirkstoffgruppe ist auch das Doxepin ein trizyklisches Antidepressivum, das eher antriebshemmend wirkt.
Wie das Amitriptylin beeinflusst es die Monoamin-Verfügbarkeit und manipuliert so, wie stark die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin wirken.
Wegen seiner zusätzlichen Auswirkungen auf diverse andere Neurotransmitter kann auch das Doxepin einen vorteilhaften Einfluss auf Schlaflosigkeit, Angstzustände und Unruhe haben.
Antriebssteigernde Trizyklika
– Desipramin
Das Desipramin ist mittlerweile vom Markt genommen worden, nachdem es in Zusammenhang mit einigen plötzlichen ungeklärten Todesfällen gebracht wurde.
Es wirkt ähnlich wie die TZA aus der antriebssenkenden Gruppe stimmungsaufhellend, indem es die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin anhebt, hat aber im Gegensatz zu ihnen keine beruhigende, sondern eine eher anregende Wirkung und wurde deswegen vor allem zur Behandlung von Patienten eingesetzt, die wegen ihrer Depression nicht mehr genug Antrieb hatten, um ihren Alltag zu bewältigen.
– Nortriptylin
Dem Amitriptylin sehr ähnlich funktioniert auch das Nortriptylin. Es hat allerdings weniger starke Nebenwirkungen und kann deshalb auch eher zur Therapie von Patienten genutzt werden, die unter kardiovaskulären Krankheiten (also Krankheiten der Herzkreislaufsystems) leiden. Nortriptylin wirkt im Gegensatz zu Amitriptylin außerdem nicht sedierend, und ist somit besser für antriebsarme Betroffene geeignet.
Trizyklische Medikamente mit wenig Auswirkungen auf den Antrieb
– Imipramin
Auch Imipramin, eines der zuerst entdeckten Medikamente zur Therapie von Depressionen, zielt auf eine Erhöhung der Monoamin-Verfügbarkeit ab. Da es aber weder antriebshemmend noch antriebssteigernd wirkt, wird es nicht nur bei bestimmten Typen von Depressionen, sondern auch bei Nachtangst bei Kindern, chronischen Schmerzen und gegen verschiedene Phobien eingesetzt.
– Clomipramin
Clomipramin wirkt sich, genau wie Imipramin, nicht stark auf den von Depressionen verstärkten oder verminderten Antrieb aus (siehe Clomipramin Wirkung). Es hat jedoch eine Eigenschaft, die in diesem Falle das trizyklische Antidepressivum sogar effektiver als ein SSRI macht: Es hilft bei der Behandlung von Zwangsstörungen (siehe auch: Was hilft bei Zwangsstörungen?), hat also eine anti-obsessive Wirkung.
Quellen:
- navigator-medizin.de/depression/die-wichtigsten-fragen-und-antworten-zu-depression/trizyklische-antidepressiva/372-wie-wirken-trizyklische-antidepressiva.html
- flexikon.doccheck.com/
- apotheken-umschau.de/Depression/Depressionen-Therapie-mit-Medikamenten-32754_8.html
Trizyklische Antidepressiva Liste
Welche Nebenwirkungen haben trizyklische Antidepressiva?
Die Liste der Nebenwirkungen der Trizyklika ist lang. Dies ist einer der Gründe, weshalb heutzutage bevorzugt die Medikamente verschrieben werden, bei denen SSRI die Wirkstoffe stellen. Neben zu erwartenden vergleichsweise harmlosen Nebenwirkungen wie verringertem Sexualtrieb und Gewichtszunahme gibt es auch klare Kontraindikationen, also Gründe, weshalb trizyklische Antidepressiva auf keinen Fall verschrieben werden sollten, wie Vorerkrankungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder sogar erhöhte Suizidgefahr.
– Verstopfung
Verstopfungen oder andere Verdauungsprobleme sind leider eine sehr übliche Nebenwirkung. Sie sind zwar normalerweise nicht gefährlich, aber dennoch unangenehm. Eventuelle Einnahme von Abführmitteln oder anderweitige Behandlungen des Problems sollten dennoch immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, um unerfreuliche Wechselwirkungen zu vermeiden.
– Gewichtszunahme
Allen trizyklischen Antidepressiva gemein ist die sehr häufig, allerdings doch nicht immer auftretende Gewichtszunahme als Nebenwirkung. Woher genau diese kommt ist bislang nicht hinreichend geklärt. Neben der naheliegenden Annahme, dass die Medikamente direkt auf den Stoffwechsel wirken, existiert auch die Hypothese, dass ein Wandel des Lebensstils letztlich die Gewichtszunahme verursacht: Wer vorher wegen seiner Depression keine Motivation mehr hatte, etwas zu essen, nimmt zum Beispiel zu, sobald er wieder weniger antriebslos ist und deshalb wieder öfter etwas isst. Andersherum kann jemand, der körperlich vielleicht sogar überdurchschnittlich aktiv war (zum Beispiel wegen Schlafmangel Symptomen, Zwangsstörungen oder nervösen Ticks) durch die beruhigende Wirkung der antriebshemmenden Trizyklika plötzlich weniger Energie verbrauchen und deshalb an Gewicht zunehmen.
– Libidoverlust und sexuelle Funktionsstörungen
Der Serotonin- und Noradrenalinspiegel wirken sich bereits selbst auf die Sexualfunktionen aus: So kann ein erhöhter Neurotransmitterspiegel dazu führen, dass es zu erektilen Dysfunktionen oder Komplikationen beim Orgasmus kommt. Außerdem kann auch der sedierende Einfluss der Medikamente den Sexualtrieb beeinflussen. Hinzu kommt, dass sich die trizyklische Wirkstoffgruppe auch endokrinologisch, also hormonell auswirken, was ebenfalls den Sexualtrieb und die sexuellen Funktionen beeinträchtigen kann.
Insbesondere bei psychischen Krankheiten oder Störungen, deren Symptome bereits eine Beeinträchtigung des Sexualverhaltens beinhalten, ist es also ratsam, mögliche Veränderungen genau zu beobachten.
– Kontraindikationen
Einer der wichtigsten Kontraindikationen der trizyklischen Medikamente sind suizidale Tendenzen beim Patienten. Insbesondere die antriebssteigernde Gruppe der trizyklischen Antidepressiva sollten keinesfalls bei suizidalen Patienten angewendet werden. Dies ist hauptsächlich dadurch begründet, dass die stimmungsaufhellende Wirkung der TZA erst nach zwei bis sechs Wochen eintritt, der antriebssteigernde Effekt hingegen häufig früher. Das kann dazu führen, dass der suizidale Patient, dem zuvor die Energie fehlte, seine Selbstmordabsichten durchzuführen, diese erhält, bevor seine Depression vermindert wurde.
– Herzrhythmusstörungen und Blutdruck
Wer ohnehin schon Probleme mit seinem Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen hat, sollte besser die Finger von Trizyklika lassen. Hier bieten sich stattdessen tetrazyklische Präparate an (vgl. tetrazyklische Antidepressiva), die gezielter wirken und keinen Einfluss auf das Herzkreislaufsystem haben.
– Wechselwirkung mit Anästhetika
Die Anwendung von TZA ist auch dann nicht ratsam, wenn ein Patient unter anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet: Die Wirkstoffe des Antidepressivums können beispielsweise mit einer Liste von Anästhetika in Wechselwirkung treten, was deren Dosierung erschwert und im Falle mangelnder Informationen sogar lebensgefährliche Folgen haben kann.
– Anticholinerges Syndrom
In extremen Fällen kann die Anwendung von Trizyklika zum anticholinergen Syndrom führen. Dieses beschreibt hauptsächlich die weitestgehende Ausschaltung des Parasympathikus (vgl. Sympathikus und Parasympathikus), was mit einer langen Liste von Symptomen einhergeht: Es kann zum Beispiel zu Angst, Unruhe, Verwirrtheit, Desorientiertheit, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, Bewegungsstörungen und Krampfanfällen führen.
Quellen:
- apotheken-umschau.de/Medikamente/Depression-Wie-Antidepressiva-helfen-526967.html
- de.wikipedia.org/wiki/Anticholinerges_Syndrom
Was muss bei der Einnahme beachtet werden?
Ärztliche Überwachung über 2-6 Wochen: Es kann bis zu 6 Wochen dauern, bis das jeweilige trizyklische Medikament seine antidepressive Wirkung entfaltet, aber unter Umständen deutlich weniger lang, bis sich die jeweiligen Nebenwirkungen bemerkbar machen. Das kann dazu führen, dass es dem Patienten zunächst schlechter statt besser geht, weshalb es wichtig ist, ihn bis zum Zeitpunkt der vollen Effektivität des Antidepressivums sowohl psychotherapeutisch (vgl. psychotherapeutische Behandlungen) als auch physiologisch zu betreuen.
Entzugserscheinungen bei Absetzen
Selbst wenn es so scheint, als sei die depressive Episode (vgl. mittelgradige depressive Episode) nach einem bestimmten Behandlungszeitraum vorüber, darf das Mittel nicht abrupt abgesetzt werden, da es bei schlagartigem Beenden der medikamentösen Behandlung zu Entzugserscheinungen kommen kann. Diese können sich sowohl körperlich, als auch psychisch äußern. Die TZA-Dosis sollte also lieber über einen längeren Zeitraum graduell verringert werden.
Wir hoffen, dass Ihnen unsere obige Trizyklische Antidepressiva Liste dabei hilft, zu entscheiden, ob sie zu einem trizyklischen Antidepressivum greifen sollten oder nicht. – In diesem Sinne wünschen wir Ihnen die besten Ergebnisse für Ihre Gesundheit!
Außerdem:
- Antidepressiva in der Schwangerschaft,
(www.angst-verstehen.de/antidepressiva-in-der-schwangerschaft/) - Antidepressiva Nebenwirkungen
(www.angst-verstehen.de/antidepressiva-nebenwirkungen/) - das Antidepressivum Citalopram
(www.angst-verstehen.de/lexikon/citalopram/) - das Antidepressivum Mirtazapin
(www.angst-verstehen.de/lexikon/mirtazapin-antidepressivum/) - sowie die Antidepressiva Opipramol, Venlafaxin, Escitalopram
(www.angst-verstehen.de/lexikon/opipramol/, www.angst-verstehen.de/venlafaxin/, www.angst-verstehen.de/escitalopram-alle-infos/) - Wechselwirkung Antidepressiva und Johanniskraut
(www.angst-verstehen.de/lexikon/johanniskraut-gegen-depression/) - Homöopathie und Antidepressiva gleichzeitig
(www.angst-verstehen.de/lexikon/neurexan/)
Zur medikamentösen Behandlung von Depressionen allgemein: