Erklärt: Psychiater vs. Psychotherapeut und Psychiatrie vs. Psychotherapie
- Was ist der Unterschied zwischen Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie?
- Und worin besteht der Unterschied zwischen einem Psychiater (respektive Facharzt für Psychiatrie) und einem Psychotherapeuten?
Die Vielzahl an Fachbegriffen kann mitunter für richtige Verwirrung sorgen und viele Menschen bringen sie durcheinander. Damit Sie sich hier besser zurechtfinden, nehmen wir im Folgenden einige Klärungen bezüglich dieser Begriffe vor. Erfahren Sie hier mehr über diese spannenden Themen und lesen Sie weiter:
Was ist Psychologie?
Die Psychologie (aus dem Altgriechischen, übersetzt: die Lehre von der Seele) ist eine akademische Wissenschaft, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen befasst und dieses mithilfe von Theorien und Modellen zu erklären und begreifbar zu machen sucht. Psychologe/Psychologin darf sich in Deutschland nur der-/diejenige nennen, der ein mehrjähriges Universitätsstudium der Psychologie mit Diplom- oder Master-Abschluss absolviert hat. Die akademische Psychologie gliedert sich dabei in folgende klassische, übergeordnete Teilbereiche:
- Klinische Psychologie: untersucht die Grundlagen psychischer Störungen
- Pädagogische Psychologie: befasst sich mit psychologischen Aspekten von Prozessen des Unterrichts, der Sozialisation und der Erziehung (auch: Erziehungspsychologie)
- Organisationspsychologie: beschäftigt sich mit den Wechselwirkung zwischen Individuen und Organisationen; ist ein Teilgebiet der Wirtschaftspsychologie
- Wirtschaftspsychologie: untersucht das subjektive Erleben und Verhalten von Menschen im wirtschaftlichen Kontext und in sozialen Zusammenhängen
Daneben gibt es eine Vielzahl von untergeordneten Bereichen. Wichtig ist, dass die akademische Psychologie streng empirisch arbeitet, wobei ein wesentliches Instrument die Statistik ist: die Erhebung und Auswertung von Zahlen (statistischem Material), um auf dieser Grundlage zu einer allgemeingültigen Schlussfolgerung zu kommen. Darauf legen ausgebildete Psychologen sehr viel Wert (Der Grund hierfür ist vermutlich die Geschichte, da die Psychologie ursprünglich als etwas Nebulöses und wenig Greifbares galt und enge Verbindungen zur Philosophie aufwies). Von den Disziplinen her ist die Psychologie zwischen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften angesiedelt. Zum Teil spielen auch geisteswissenschaftliche Einflüsse eine Rolle. Die Anfänge der Psychologie als akademischer Wissenschaft gehen (ebenso wie die der Psychiatrie) auf das 19. Jahrhundert zurück.
Was ist Psychotherapie?
Nicht jeder Psychologe arbeitet nach dem Studium der Psychologie jedoch als Psychotherapeut. Es sind auch andere Tätigkeitsfelder denkbar, wie zum Beispiel in der Werbung (Werbepsychologie) oder bei der Polizei (Erstellung von Täterprofilen). Die Psychotherapie hingegen ist die angewandte, beratende Arbeit eines ausgebildeten Psychologen mit Klienten/Kunden.
In der Psychotherapie werden dabei psychische Störungen mit psychologischen Mitteln behandelt. Um in Deutschland als Psychotherapeut arbeiten zu können, existieren sehr strenge gesetzliche Auflagen. Als Psychotherapeut tätig werden darf nur, wer
- ausgebildeter Mediziner ist und über eine nachgewiesene Zusatzqualifikation in Psychotherapie verfügt
- ausgebildeter Psychologe ist und eine zusätzliche mehrjährige Ausbildung als psychologischer Psychotherapeut und die entsprechende Approbation erfolgreich durchlaufen hat
- Heilpraktiker ist und eine psychotherapeutische Ausbildung vorweisen kann
In Deutschland gibt es dabei drei grundlegende Verfahren der Psychotherapie, die von den Krankenkassen anerkannt werden (vgl. auch: richtige Psychotherapie finden):
- Verhaltenstherapie: Den Betroffenen wird durch Gespräche versucht deutlich zu machen, woher ihr problematisches Verhalten ursprünglich stammt und wie es erklärt werden kann. Zudem werden ihnen durch den Verhaltenstherapeuten alternative Handlungsweisen und Wege dorthin aufgezeigt. Eine bekannte und häufig angewandte Form der Verhaltenstherapie ist die kognitive Verhaltenstherapie.
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: siehe den Artikel zu Tiefenpsychologie sowie auch hier.
- Analytische Psychotherapie („Psychoanalyse“): Die Psychoanalyse geht ursprünglich auf Sigmund Freud zurück, hat seitdem aber bedeutende Weiterentwicklungen durchlaufen. Dem Betroffenen sollen unbewusste Inhalte bewusst gemacht werden, um auf diese Weise Konflikte zu lösen. Man geht davon aus, dass sämtliche psychische Störungen der Ausdruck von unbewussten Konflikten sind, meist frühkindlicher Natur, die durch Bewusstwerdung aufgelöst werden können. Siehe psychoanalytische Therapie.
In der Regel findet eine Psychotherapie im Vier-Augen-Gespräch zwischen Psychotherapeut und Klient/Kunde statt. Der Psychotherapeut unterliegt dabei der Schweigepflicht. Eine Sonderform ist die Gruppenpsychotherapie, die vor allem im stationären Rahmen in einigen psychosomatischen Kliniken als therapeutisches Mittel angeboten wird (siehe Gruppenpsychotherapie Ablauf). Jedoch ist die Psychotherapie in der Gruppe zum Teil auch in anderen Zusammenhängen möglich, beispielsweise in der ambulanten Suchttherapie bei Suchtkrankheiten. (Nicht zu verwechseln ist die Psychotherapie in der Gruppe mit selbstorganisierten Selbsthilfegruppen. Diese finden zwar ebenfalls regelmäßig in Gruppen statt und sollen eine therapeutische Wirkung haben, doch handelt es sich hierbei nicht um eine Psychotherapie im klassischen Sinne.)
Durch Psychotherapie gut behandelbar:
Dabei gibt es psychische Störungen, bei denen man davon ausgeht, dass sie mit psychotherapeutischen Mitteln gut beeinflussbar sind, andere hingegen weniger. Zu den durch Psychotherapie gut beeinflussbaren psychischen Störungen gehören
- Depressionen (siehe z.B. larvierte Depressionen, rezessive Depressionen, reaktive Depressionen)
- krankhafte Ängste (sogenannte Phobien: zum Beispiel die Astraphobie (Angst vor Blitz und Donner) oder die Radiophobie (die Angst vor negativen Strahlungen) etc.; es gibt jedoch auch Ausnahmen: Die Ikonophobie (die Bilderangst) oder die Photophobie (übertriebene Lichtempfindlichkeit) etwa sind keine seelischen Störungen, obwohl sie die Endung –phobie aufweisen)
- die posttraumatische Belastungsstörung und die komplexe posttraumatische Belastungsstörung
- Zwangsstörungen (wie Waschzwänge oder Zählzwänge)
- dissoziative Störungen (Multiple Persönlichkeiten, vgl. aber auch: dissoziative Amnesie F44.0, dissoziativer Stupor F44.2)
- somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne organische Ursachen)
Es wird folglich ein grundlegender Unterschied gemacht:
- neurotisches Verhalten und Erleben (zum Beispiel krankhafte Ängste, die in einer Angstspirale münden; siehe Was ist Zwangsneurose)
- psychotisches Verhalten, Fühlen und Erleben (mit Wahnerleben, Ich-Störungen etc.)
Was ist der Unterschied zwischen einer Neurose und einer Psychose?
Während eine neurotische Person sich ihres Zustandes bewusst ist und unter ihren Symptomen leidet, hält sich der Psychotiker in seinem Wahnerleben für völlig gesund, obwohl der Psychotiker deutlich kränker ist. Diese Unterscheidung hat bereits Freud vorgenommen.
Bei einer neurotischen Person handelt es sich demnach um eine leichte seelische Beeinträchtigung, die gut beeinflussbar und behandelbar ist, während bei einer Psychose die komplette Person als Gesamtes in ihrem Fühlen, Denken und Erleben erkrankt ist. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Behandlung, beispielsweise wenn eine Schizophrenie vorliegt.
Bislang gilt allgemein der Standard, dass psychotische Erkrankungen vorwiegend mit Medikamenten durch Psychiater behandelt werden müssen, obwohl auch diese Lehrmeinung nicht mehr unumstößlich ist und mittlerweile einige alternative Therapiekonzepte entwickelt wurden. Allerdings werden auch die Begriffe „Neurose“ und „neurotisch“ zunehmend verdrängt, da sie inzwischen als zu ungenau gelten. Im aktuellen „International Code of Diseases“ der Weltgesundheitsorganisation findet sich der Begriff „Neurose“ kaum noch. Stattdessen ist es mittlerweile Usus, psychische Störungen explizit zu benennen und etwa von einer posttraumatischen Belastungsstörung zu reden, statt von einer Neurose oder einer neurotischen Reaktion zu sprechen.
Zur näheren Veranschaulichung sei zuletzt aber noch ein bestimmtes Kennzeichen einer neurotischen Reaktion genannt: Betroffene realisieren ihr abweichendes Verhalten und Erleben und fragen sich oftmals selbst: Was stimmt mit mir nicht? (siehe: Werde ich verrückt?) Spätestens wenn man beginnt, sich selbst solche Fragen selbst zu stellen, ist der Zeitpunkt gekommen, um sich professionelle Hilfe zu suchen. Die meisten Neurosen können mit einer gezielten Behandlung nämlich zumindest abgeschwächt werden, so dass die Betroffenen ihren Leidensdruck nicht als Schicksal akzeptieren müssen. Ein Psychotiker hingegen hat mitunter die abenteuerlichsten Erklärungen parat, was mit ihm geschieht, und ist von diesem Wahnsystem vollkommen überzeugt.
Was ist Psychiatrie?
Was ist nun die Psychiatrie im Unterschied zur Psychologie und Psychotherapie? Die Psychiatrie befasst sich mit der Diagnostik, Prävention und Behandlung von psychischen Erkrankungen. Behandler ist dabei der Facharzt für Psychiatrie. Hierbei stehen zwei grundlegende Verfahren zur Verfügung:
- die Psychotherapie
- die medikamentöse Behandlung (Psychopharmakotherapie)
Daraus erhellt sich auch, was der Unterschied zwischen einem Psychotherapeuten, einem Psychologen und einem Psychiater ist: Während ein Psychiater ein ausgebildeter Mediziner mit einer Zusatzqualifikation in Psychiatrie ist und Medikamente verschreiben darf, dürfen Psychotherapeuten und Psychologen keine Medikamente verschreiben. Bei psychiatrischen Medikamenten kommen dabei vorwiegend drei Gruppen zum Einsatz:
- Antidepressiva (siehe auch Antidepressiva Arten; typische Vertreter sind Venlafaxin, Opipramol, Amitriptylin, Sertralin und Duloxetin)
- Neuroleptika gegen psychotische Störungen (Quetiapin, Risperidon, Clozapin, Amisulprid oder Haldol)
- chemische Sedativa (vor allem Benzodiazepine wie Tavor, Diazepam etc.; siehe Beruhigungsmittel Liste; sogenannte anxiolytische Medikamente, s.a. Nervensystem beruhigen)
Daneben gibt es noch einige andere wie bestimmte Psychostimulanzien (Stichwort: ADHS) oder Antidementiva, sie spielen jedoch einer geringere Rolle. Dem ist noch hinzuzufügen, dass die meisten Psychiater ebenfalls eine Zusatzqualifikation in Psychotherapie besitzen und sich deswegen „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ nennen dürfen. Psychotherapeutische Elemente können zwar in eine psychiatrische Behandlung mit einfließen, die meisten Psychiater bieten jedoch keine explizite Psychotherapie in Form von Gesprächen an. Die hauptsächliche Behandlungsmethode der Psychiatrie und des Psychiaters ist deswegen die medikamentöse Therapie.
Wie aber verordnet der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die richtigen Medikamente? Auf welcher Grundlage? Das wichtigste Hilfsmittel ist hierbei das Gespräch. Im Vier-Augen-Gespräch mit dem Klienten sucht der Psychiater zu einer Diagnose zu kommen, indem er bestimmte Fragen stellt, die das gesundheitliche Problem einzugrenzen helfen. Steht die Diagnose und ist ein spezielles Beschwerdeprofil entworfen worden, werden auf dieser Basis die Medikamente verordnet, die als passend für die Symptome betrachtet werden. Mitunter kommen auch mehrere verschiedene Psychopharmaka zum Einsatz.
Ein Grenzbereich ist die Selbst- oder Fremdgefährdung durch suizidale Gedanken oder Aggressionen gegenüber anderen (beispielsweise im Rahmen einer akuten Psychose mit Paranoia, d.i. Verfolgungswahn): In diesem Falle ist der Psychiater berechtigt, eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie vorzunehmen (siehe: jemanden einweisen lassen) und eine Behandlung wider den Willen des Betroffenen anzuordnen. Psychiater arbeiten dabei sowohl ambulant in niedergelassener Praxis als auch stationär in psychiatrischen Kliniken.
Was ist ein Nervenarzt?
Nun bleibt noch die Frage zu klären, was der Unterschied zwischen einem Nervenarzt, einem Neurologen und einem Psychiater ist.
„Der Ausdruck Nervenarzt ist nichts anderes als die frühere Bezeichnung für Psychiater.“
Der Ausdruck Nervenarzt ist nichts anderes als die frühere Bezeichnung für Psychiater, die sich neben psychischen Erkrankungen auch mit körperlichen Erkrankungen des menschlichen Nervensystems befasst haben. Daher stammt die Bezeichnung Nervenarzt. Daraus ist jedoch die selbständige Disziplin der Psychiatrie hervorgegangen, die inzwischen von der Neurologie unterschieden wird.
Die Neurologie befasst sich mit den Störungen des Nervensystems auf biophysischer Ebene. Typische Erkrankungen, die von einem Neurologen behandelt werden, sind Schlaganfall (die führende Todesursache in Deutschland), Multiple Sklerose, Epilepsie, Schädel-Hirn-Trauma, Parkinson, Migräne etc. Psychiater müssen auch fundierte Kenntnisse in der Neurologie nachweisen können, jedoch handelt es sich bei der Neurologie inzwischen um eine eigenständige Disziplin.
„Nervenarzt ist somit lediglich eine veraltete Bezeichnung und von Nervenarzt.“
Nervenarzt ist somit lediglich eine veraltete Bezeichnung und von Nervenarzt wird daher auch kaum mehr gesprochen. Der korrekte Ausdruck lautet hingegen „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“.
Wichtiger Hinweis für Krisenfälle
Wichtiger Hinweis: Sollten Sie in eine psychische Krise geraten und Hilfe suchen, während der Termin beim niedergelassenen Psychiater erst in einigen Wochen ansteht, dann können Sie in größeren Städten jederzeit eine psychiatrische Ambulanz in einer psychiatrischen Klinik gehen. Gleichgültig, ob Sie sich in Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt, Leipzig, Hannover oder Karlsruhe befinden: Jede größere Stadt weist eine psychiatrische Klinik mit angegliederter Ambulanz für Notfälle auf, wohin sich Hilfesuchende im akuten Fall wenden können.
Hintergrund ist, dass es manchmal Monate lang dauern kann, bis man einen Termin beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bekommt und weil Krisen beispielsweise auch am Wochenende oder an Feiertagen auftreten können, wenn kein niedergelassener Psychiater erreichbar ist. Wenn also der Leidensdruck zu groß werden sollte oder Sie Selbstmordgedanken haben, zögern Sie nicht, sich an eine Ambulanz zu wenden. In der Ambulanz können Sie dann auch vereinbaren, ob man Sie schnell wieder stabilisieren kann und ob es ausreicht, wenn Sie ambulant behandelt werden. Die Alternative besteht in der stationären Aufnahme in die psychiatrische Klinik, an die die Ambulanz angegliedert ist (Einweisung)
Zum Weiterlesen auf dieser Website:
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (Psychiater) – Quellen und weiterführende Ressourcen:
- https://www.psychologie-studieren.de/infos/was-ist-psychologie/
- https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/psychologie-44295
- https://www.psychotherapiesuche.de/pid/therapie
- https://flexikon.doccheck.com/de/Neurose
- https://www.onmeda.de/krankheiten/neurose.html
- https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/psychiatrie/
- https://www.allgemeinarzt-online.de/archiv/a/wenn-die-krankheitseinsicht-fehlt-1627369
- https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/pharmakotherapie/was-sind-psychopharmaka/
- https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/nervenheilkunde/