Freiwilligkeit und Zwänge stehen sich als Gegensatzpaare gegenüber. Normale Menschen waschen sich, wenn sie sich verschwitzt oder schmutzig fühlen. Sie duschen vielleicht an manchen Tagen mehrmals, weil es notwendig erscheint. Für die Haut ist das nicht unbedingt gut – aber ein Zwang ist dennoch etwas anderes. Denn bei der Freiwilligkeit gibt es einen äußeren Anlass. Der Mensch unter der Dusche hat Holz gehackt. Er anschließend ist schmutzig und verschwitzt. Das Duschen ist eine Notwendigkeit. Ähnlich verhält es sich, wenn eine Frau nach einer Vergewaltigung das Bedürfnis hat, sich wiederholt zu duschen. Zuvor sollte sie allerdings die genetischen Spuren beim Polizeiarzt sichern lassen.
Duscht hingegen jemand fünfzehnmal am Tag und es gibt keinen ersichtlichen Grund dafür, ist es vermutlich eine Zwangserkrankung (Zwangskrankheit). Sie beruht auf einer inneren Notwendigkeit. Die weiter unten zu findende Zwänge Liste ist für alle Betroffenen ein erster Hinweis, dass eine von ihnen ausgeübte Handlung einen zwanghaften Charakter angenommen hat.
In der Häufigkeit der Zwänge dominieren der Reinigungs- und Waschzwang – oft als Sauberkeitsfimmel ohne Krankheitswert deklariert – sowie der Kontrollzwang und Ordnungszwang.
https://www.youtube.com/watch?v=5C7etaXbDPw
In einem Fragebogen, von denen mehrere Versionen im Internet zu finden sind, kann jeder unserer Leser testen, ob er an ernsthaften Zwangssymptomen leidet oder nicht. Ob diese Zwänge Krankheitswert haben, ist damit aber noch nicht gesagt. Manches ist nur ein Fimmel, anderes eine lieb gewordene Gewohnheit, derer der Betreffende sich nicht mehr bewusst ist. Vieles ist ein Ritual. Die rituelle Handlung hat keinen Krankheitswert, obwohl sie oft angewendet wird.
- myrealpersonality.com/de/tests/zwangsstoerung-test-leidest-du-unter-zwaengen-in-deinem-leben?gclid=EAIaIQobChMImc_N2caJ2wIVipEbCh3UhAYkEAAYASAAEgJS-fD_BwE
- vigo.de/de/behandeln/krankheiten/psychische_erkrankungen_1/zwangsstoerungen/selbsttest__zwangsstoerung___sind_sie_gefaehrdet_.html
Was bezeichnet ein Mediziner als Zwang?
In der Wikipedia wird zwischen mehreren Definitionen von Zwang unterschieden. Zwang und Druck können nämlich nicht nur innerlich, sondern auch von außen ausgeübt werden. Sie dienen dann dazu, um jemanden zu etwas zu bringen, was dieser freiwillig nicht tun möchte. Zugrunde liegen diesem Zwingen oft Druck, Erpressung, Bedrohung oder Gewaltanwendung durch einen Dritten. Selbstverständlich führen die erstgenannten „Zwänge“ nicht in eine Klinik, sondern gegebenenfalls vor ein Gericht oder ins Gefängnis.
Zwangsstörungen liegen vor, wenn der Zwang von derselben Person ausgeübt wird, die dem Zwang unterliegt. Es kann sich um zwanghafte Gedanken oder sinnlose Taten handeln, die unter innerem Druck ausgeführt werden. Zwangsstörungen sind im ICD-10 unter der Nummer F42 als „obsessive-compulsive disorder“ und außerdem als „zwanghafte bzw. anankastische Persönlichkeitsstörung“ unter der Nummer ICD-10 F60.5 zu finden.
Auch ein Tic kann zwanghaften Charakter haben. Er ist zwar nicht mit Gedanken verbunden und muss keinen Krankheitswert haben. Er besteht in einer unbewussten, automatisch ausgeführten oder nervösen Bewegung. Besteht ein Tic aber dauerhaft und führt beispielsweise dazu, dass ein Kind ständig mit den Augen zwinkert oder sich die Lippen wundleckt, sollte man für solche Zwänge Ursachen suchen. Das Kind kann unter enormem inneren Druck stehen. Es braucht eventuell eine Psychotherapie. Über die Notwendigkeit einer Behandlung entscheidet beispielsweise ein selbstzerstörerisch wirkender Tic, der auch mit anderen unangemessenen Verhaltensweisen kombiniert wird.
Aus der unten angeführten Zwänge Liste lässt sich entnehmen, was ein Zwang ist und was nicht. Nicht jeder Tic und jeder in einer Krise entwickelte Zwang ist behandlungsbedürftig. Bei Kindern treten Tics meist in akuten Stresssituationen auf – beispielsweise, wenn die Eltern sich scheiden lassen.
- de.wikipedia.org/wiki/Zwang
- de.wikipedia.org/wiki/Zwangsstörung
- de.wikipedia.org/wiki/Tic
- econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/0942-5403.16.2.75?journalCode=kie
- neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/ratgeber-archiv/meldungen/article/tic-stoerung-tritt-bei-kindern-meist-nur-voruebergehend-auf/
Was sind typische Zwänge Ursachen?
Natürlich haben innere Zwänge und daraus erwachsende Zwangserkrankungen Ursachen und eine Funktion für die Betroffenen. Tritt ein gelegentlicher innerer Zwang auf, würde sicher niemand von einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung sprechen. Fast jeder Mensch gerät im Laufe seines Lebens in persönliche Krisen und Stresssituationen. Diese können kurzfristig zu Zwängen führen, die als Übersprungshandlung dienen und entlastend wirken. Diese Menschen brauchen zwar Hilfe, aber nicht unbedingt eine Behandlung. Sie zeigen zwar alle Symptome inneren Drucks und Stresses. Doch gute Freunde und lösungsorientierte Gespräche können schon helfen, einen Weg aus der Krise zu finden; nicht immer braucht man gleich eine professionelle Gesprächstherapie bzw. Verhaltenstherapie.
Eine Zwangsstörung liegt erst dann vor, wenn der Betroffene Tag für Tag nicht mehr anders kann, als dem inneren Zwang nachzugeben. Damit ist ein gewisser Leidensdruck verbunden – und diese beiden Komponenten definieren die Zwangserkrankung. Hier haben sich die Symptome unter innerem Druck verfestigt.
Oftmals werden Zwänge als belastend wahrgenommen. Sie können aber nicht auf die eigentliche Ursache zurückgeführt werden. Diese liegt oft in einer Angst vor bestimmten Gefühlen begründet. Erst wenn Angststörungen dazu kommen, wird den Zwangsgestörten manchmal bewusst, wo das Problem liegt (siehe auch Angststörungen Ursachen, Angststörungen Symptome). In den meisten Fällen sind Angststörungen allerdings wegen ihrer körperlichen Symptome ein Fall für die Psychosomatik / eine psychosomatische Klinik. Auch hier werden bei den damit belasteten Menschen die Anzeichen der Angst meist nicht richtig gedeutet, sondern fehlinterpretiert (vgl. psychosomatische Erkrankungen).
Die eigentlichen Ursachen für Zwänge und das Entstehen von Zwangserkrankungen sind noch nicht hinlänglich geklärt. Vermutlich ist die Verursachung solcher Störungen multikausal. Es müssen daher oft mehrere Punkte zusammenkommen, bis sich eine Störung in pathologischem Zwangsverhalten manifestiert. Die Mediziner wissen jedoch, dass es eine genetische Veranlagung zu solchen Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen gibt. Außerdem verläuft die Verarbeitung von Erlebnissen und Gefühlen im Gehirn anders als bei anderen Menschen. Ein Serotoninmangel im Gehirn scheint eine gewisse Rolle bei Zwangshandlungen und Zwangsdenken zu spielen (siehe Zwangshandlung nach F42.1).
Eine andere wichtige Ursache für Zwänge als Ersatzhandlung für bestimmte Emotionen ist die Unfähigkeit, bestimmte Gefühle wie Angst oder Aggression anders auszudrücken. Es kommt zu einer zwanghaft ausgeführten Übersprungshandlung. Diese wird in der Folge zum immer wieder ausgeführten Zwang oder zur belastenden Verhaltensgewohnheit. Sie verschafft dem Betroffenen zunächst eine Möglichkeit, dem unangenehmen Gefühl aus dem Wege zu gegen. Wann immer er latente Furcht und Unsicherheit verspürt, wäscht er sich die Hände. Er ordnet Stifte auf seinem Tisch exakt linear an oder ergeht sich endlos lange in sinnlosen Denkkaskaden, die nirgendwo hin führen. Auf Dauer entsteht jedoch aus dem ehemals entlastenden Ritual ein starker Leidensdruck. Diesem Zwang kann der Patient im Rahmen einer Psychoanalyse auf den Grund gehen (siehe psychoanalytische Therapie). Er kann auch im Rahmen einer Verhaltenstherapie lernen, mit belastenden Gefühlen, gestressten Gedanken und angstmachenden Situationen angemessener umzugehen (siehe Was macht ein Verhaltenstherapeut).
Bei entsprechendem Leidensdruck müssen viele dieser Menschen in eine Therapie oder eine Klinik, um eine angemessene Behandlung ihrer Störung zu erhalten. Nur in sehr leichten Fällen können Zwänge, der den Betroffenen bewusst sind, selbst bewältigt werden. In seelischen Krisen kann es vorübergehend zum Zwangsdenken kommen. Sobald das Denken aber wieder kreativ und produktiv wird, wendet sich alles zum Guten. Der Tunnelblick weitet sich wieder. Verfestigen sich Zwangsdenken oder Zwangshandlungen aber, sieht es schlecht aus. Ohne eine Behandlung kann die Zwanghaftigkeit nicht mehr abgelegt werden.
Warum werden im ICD-10 zwei scheinbar unterschiedliche Zwangsstörungen verzeichnet?
Die im Englischen als obsessive-compulsive disorder bezeichnete Zwangsstörung („obsessive kompulsive Störung“) wird den psychischen Störungen zugerechnet. Früher wurde sie als Zwangsneurose bezeichnet. Die daran erkrankten Menschen führen unter einem inneren Zwang wiederholte Handlungen aus oder betätigen sich unter innerem Dauerstress zwanghaften Denkens. Kennzeichnend ist, dass die betroffenen Personen unter den Zwangsgedanken und -handlungen leiden. Sie erkennen ihr Handeln oder Denken selbst als sinnlos und destruktiv. Sie können beidem dennoch nichts entgegensetzen.
Die seltener auftretende zwanghafte Persönlichkeitsstörung oder Zwangspersönlichkeitsstörung wird hingegen den Persönlichkeitsstörungen zugerechnet. Hier geht es um Kontrollsucht, den Hang zum Perfektionismus (siehe perfektionistisch sein), eine starke Rigidität, übermäßige Vorsicht und die permanente Angst, etwas zu vergessen oder einen Fehler zu begehen. Auch wenn die Zwangshandlungen für Unwissende ähnlich wirken, entstammen sie unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen,
Liste verschiedener Zwänge und Zwangserkrankungen
Die Zwänge Liste und die Liste der daraus resultierenden Zwangserkrankungen ist je nach Quelle relativ kurz. Zwangsstörungen können verschiedene Formen annehmen, mit denen die Angst oder der Stress bewältigt werden. Aufgrund der Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten, die den Handelnden zur Verfügung stehen, entwickeln manche Menschen unter innerem Druck Zwangsgedanken. Andere neigen zu Übersprungshandlungen. Bei manchen Menschen ist der Druck so groß, dass sie gleich beides entwickeln oder aber mehrere Zwangshandlungen ausführen. Das krankhafte Verhalten kann sich in der Folge als
- Reinigungs- und Waschzwang
- Kontrollzwang
- mehrfaches Wiederholen einer Handlung
- Zählzwang
- Ordnungszwang
- Sammelzwang
- zwanghafte Langsamkeit
- oder Zwangsgedanken
manifestieren. Dass solche Zwänge Ursachen haben, entgleitet dem Bewusstsein. Aktives Denken wird durch Zwanghaftigkeit ersetzt, bewusstes und willentliches Handeln durch zwanghaften Automatismus. Zudem treten viele Zwangsstörungen zusammen mit Symptomen von Angststörungen auf.
Wenn Betroffene zu stark leiden und ihr gesamtes Leben unter dem Einfluss der Zwangsstörung steht, ist es Zeit für eine Behandlung. Die Zwänge sind außer Kontrolle. Sie dominieren einfach alles. Der innere Zwang kann nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit unterdrückt werden.
Zwänge besiegen in der Psychiatrie?
Inwieweit die Psychosomatik mit in einen Zwang hineinspielt, muss die Diagnose anhand der vorliegenden Symptome klären. Zwänge von solchem Ausmaß bringen Betroffene oft in eine Klinik, die auf solche Störungen spezialisiert ist. Die Zwangsstörung kann aber auch im Rahmen einer Psychotherapie, der Psychiatrie oder Verhaltenstherapie behandelt werden. Ohne eine Therapie kann der Zwang zum automatischen Denken oder Handeln nicht abgelegt werden. Nicht selten landen die Menschen, die von einem Zwang dominiert werden, in der Psychiatrie (vgl. Einweisung Psychiatrie). Ob sie dort richtig aufgehoben sind, ist fraglich. Es hängt vom Einzelfall ab, wie der Fortlauf der Dinge sich gestaltet. Auf jeden Fall sind Zwangsgedanken kein Grund für eine Entmündigung.
Auch die Diagnose einer Zwangspersönlichkeit kann Betroffene in eine Klinik bringen, insbesondere wenn zeitgleich eine Angsterkrankung oder Suchterkrankung (vgl. Suchtkrankheiten) vorliegt. Die Verhaltensauffälligkeiten sind solche Menschen meistens nicht bewusst. Mittels Psychoanalyse, Verhaltenstherapie oder langfristiger Psychotherapie kann den Menschen geholfen werden, zukünftig ein angemesseneres Verhalten zu zeigen. Zunächst aber müssen sie feststellen, dass sie oder andere unter ihrem Verhalten leiden. Der Wille, eine Therapie durchzuhalten, muss gegeben sein. Dass Zwänge Ursachen und Funktionen haben, muss erkannt und verarbeitet werden.
Zwangsverhalten überwinden – noch mehr Buchtipps:
Zwänge Liste, Ursachen etc. – Quellen und weiterführende Ressourcen zum Thema Zwang:
- zwaenge.de/diagnose/zwangsstoerung_ursachen.htm
- apotheken-umschau.de/…/Zwangsstoerungen-Ursachen-57724_3.html
- klinik-friedenweiler.de/blog/wie-entsteht-eine-zwangsstoerung/
- neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie…/ursachen/